Debatte um Bunker "Eine reine Nebelkerze"
Im Kriegsfall gibt es kaum noch funktionierende Schutzräume in Deutschland. Das zeigt eine Bestandsaufnahme der Regierung. Sollte man nun neue Bunker bauen? Falscher Ansatz, sagen Experten.
Wer heutzutage in Deutschland einen Bunker sehen will, findet sich schnell im Museum wieder. Das wohl berühmteste Beispiel befindet sich im Ahrtal: Ab 1971 standen dort im Kalten Krieg fast 900 Büros und mehr als 930 Schlafräume für die Bundesregierung bereit. Gebraucht wurde die Anlage nie, heute werden Besuchergruppen durch die "Dokumentationsstätte Regierungsbunker" geführt.
Luftschutzbunker wurde zur Kunstgalerie
Nach Ende des Kalten Krieges setzte sich die Auffassung durch, dass Schutzräume nicht mehr benötigt werden. Im Jahr 2007 beschlossen Bund und Länder, öffentliche Schutzräume nicht weiter zu erhalten und schrittweise rück- oder umzubauen. So wurden Hochbunker zu Wohnhäusern oder Tiefbunker zu Parkhäusern. Andere verfallen einfach nur.
Allein im Stadtgebiet von Essen gab es früher rund 1.300 Luftschutzanlagen, die meisten davon sind bereits stillgelegt. Kein einziger Bunker in der Stadt ist noch intakt. In Mönchengladbach dient ein Ende der 1960er-Jahre gebauter Atombunker inzwischen als öffentliche Tiefgarage. Ein Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg beherbergt eine Kunstgalerie.
Reaktivierung "grundsätzlich möglich"
Der russische Angriff auf die Ukraine hat den Zivilschutz wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt: Eine neue Diskussion um Bunker ist entbrannt. Und die Bundesregierung stoppte die Stilllegung von Schutzräumen und gab eine Bestandsaufnahme in Auftrag. Mehr als ein Jahr später legte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ihren Bericht vor.
Demnach existieren in Deutschland derzeit noch 579 öffentliche Schutzräume mit Platz für insgesamt knapp 480.000 Menschen, also nur für einen Bruchteil der Bevölkerung. Selbst diese wenigen Anlagen seien aber nicht einsatzbereit. Eine Reaktivierung sei zwar "grundsätzlich möglich", so die Bundesanstalt, Zeit- und Kostenaufwand hingen aber davon ab, welches Schutzniveau die Anlagen bieten sollen. Das reiche vom Schutz vor Trümmern und Splittern bis hin zur Abwehr von atomaren Gefahren.
Warnsirenen statt Bunker
Aber ist es überhaupt sinnvoll, Bunker zu reaktivieren oder neue zu bauen? Martin Voss, Professor für Krisen- und Katastrophenforschung an der Freien Universität Berlin, ist skeptisch. "Die Diskussion um Bunker ist eine reine Nebelkerze", kritisiert er. Grundsätzlich seien solche Schutzräume zwar wünschenswert, allerdings stelle der Staat dafür zu wenig Geld zur Verfügung. "Angesichts von limitierten finanziellen Mitteln können wir effizientere Dinge für den Zivilschutz tun als Bunker zu bauen", sagt Voss und verweist dabei zum Beispiel auf funktionierende Warnsirenen.
Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) äußert sich zurückhaltend. Behördenchef Ralph Tiesler sagte dem "Tagesspiegel" im vergangenen Jahr: "Neue Bunkeranlagen mit einem sehr hohen Schutzanspruch zu bauen, kostet sehr viel Geld und vor allem auch sehr viel Zeit." Er plädierte dafür, stattdessen eher bestehende U-Bahnhöfe oder Tiefgaragen als Schutzräume zu nutzen.
Krisen- und Katastrophenexperte Voss bemängelt zudem, dass es in der Gesellschaft kein Bewusstsein mehr gebe für Zivilschutz: "Es braucht eine gesellschaftliche Debatte darüber, was Zivilschutz eigentlich heißt. Das ist die Grundlage von allem anderen." Die Bunker-Diskussion, so glaubt er, lenke von diesen grundsätzlichen Debatten ab.