Zivilschutz Rückkehr der Bunker?
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden in Deutschland viele Bunker zurückgebaut. Nun werden sie plötzlich wieder interessant. Doch mancher Schutzraum wird kaum zu reaktivieren sein.
Zehn Sekunden dauert es, dann ist das letzte, atombombensichere Tor des ehemaligen Regierungsbunkers geschlossen. Heike Hollunder, Museumsleiterin der Dokumentationsstätte im rheinland-pfälzischen Ahrtal, drückt einen Knopf.
Ein schrilles Alarmsignal ertönt, rote Lichter blinken und das 25 Tonnen schwere Tor aus Beton rollt von rechts nach links - zu! Bis Besucher ganz im Inneren der Bunkeranlage angekommen sind - im Raum, der für den Bundeskanzler bestimmt war -, schließen sich mehr als acht solcher Hochsicherheitstore.
Das geheimste Bauwerk der Geschichte der Bundesrepublik
"Der Bunker im Ahrtal war das geheimste Bauwerk in der Geschichte der Bundesrepublik. Gebaut wurde er zwischen 1960 und 1972 unter dem Tarnnamen Rosengarten", erläutert Museumsleiterin Hollunder, während sie durch die Katakomben führt. Heute ist die Anlage nur noch eine Dokumentationsstätte, die an den Kalten Krieg erinnert.
Regierungsbunker Ahrweiler: Stillegung nach dem Kalten Krieg
Schutz für Verfassungsorgane
25 Kilometer südlich von Bonn, zwischen Bad Neuenahr-Ahrweiler und Dernau im rheinland-pfälzischen Ahrtal, sollte der Regierungsbunker im Falle eines atomaren Angriffs die "Verfassungsorgane der Bundesrepublik" schützen. Neben dem Raum für den Bundeskanzler, 110 Meter tief im Ahrgebirge, gab es auch Räume für das Bundespräsidialamt, ausgestattet mit roten Polstermöbeln. Und einen Raum für den gemeinsamen Ausschuss von Bundesrat und Bundestag.
1971 wurde der Regierungsbunker in Betrieb genommen und 31 Jahre später, nach dem Ende des Kalten Krieges 1990, stillgelegt. Es begann der Rückbau, der Jahre dauern sollte. Heute sind noch 203 Meter der ehemaligen Anlage als Dokumentationsstätte erhalten.
203 Meter der ehemaligen Bunkeranlage sind heute eine Dokumentationsstätte.
Rückbau von Bunkeranlagen seit 2007
Der Rückbau von Bunkeranlagen traf nicht nur den Regierungsbunker im Ahrtal. 2007 beschlossen Bund und Länder, öffentliche Schutzräume nicht weiter zu erhalten. Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes schien das Szenario eines Krieges mit Bombenangriffen auf deutsche Städte nicht realistisch.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums des Innern und für Heimat erläutert: "Die ursprünglichen öffentlichen Schutzraumanlagen befanden sich überwiegend in Privateigentum sowie im Eigentum von Kommunen. Von diesen Anlagen wurden die meisten rückabgewickelt."
599 öffentliche Schutzräume
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gibt es aktuell noch 599 öffentliche Schutzräume in Deutschland. Sie böten etwa einer halben Million Menschen Schutz, sagt die Sprecherin. Luftschutzbunker gebe es keine mehr.
Im Rahmen einer aktuellen Bestandsaufnahme prüfe das Ministerium aktuell die "noch verbliebenen Schutzräume von Bund und Ländern" sowie den "Status ihrer Schutzwirkung". Diese Prüfung erfolge unter Federführung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Aus der Behörde heißt es, es würden Konzepte entwickelt, wie künftig ein effektiver baulicher Bevölkerungsschutz aussehen könne. Eine Umsetzung werde aber Zeit und viel Geld kosten.
Im neuen Haushalt hat das Bundesfinanzministerium dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zehn Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Doch Fachleute bezweifeln, dass dies ausreichen wird.
U-Bahn-Stationen nutzen
Während geprüft wird, wie viele Schutzräume es in Deutschland noch gibt und in welchem Zustand sie sind, verweist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf bestehende Schutzmöglichkeiten in Wohnhäusern: "Guten Schutz bietet die vorhandene Bebauung, sowohl vor fliegenden Objekten als auch vor Kontamination mit chemischen oder nuklearen Stoffen. Im Falle eines Angriffs ist es ratsam, in innenliegende Räume mit möglichst wenigen Außenwänden, Türen und Fenstern zu gehen."
Innerhalb einer Stadt könnten auch unterirdische Gebäudeteile wie U-Bahn-Stationen, Tiefgaragen und Kellerräume Sicherheit bieten.
Mehr Interesse am Regierungsbunker
Zurück im ehemaligen Regierungsbunker im Ahrtal. Eine Reaktivierung der Anlage sei kein Thema, erläutert Museumsdirektorin Hollunder. Ein Sprecher der zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Eigentümerin der Bunkeranlage, erläutert: "Die seinerzeit durch die Bundesregierung getroffene Entscheidung, den Bunker aufzugeben und vollständig zurückzubauen, basierte nicht zuletzt auf der Feststellung, dass sich die Funktion des Bunkers als Schutzbauwerk rechtlich, praktisch und wirtschaftlich nicht mehr aufrechterhalten ließ."
Eine "umsetzbare Anschlussnutzung" oder gar eine Vermietung der Anlage "zur Herrichtung als Schutzbauwerk an Privatpersonen" sei ausgeschlossen.
Museumsdirektorin Heike Hollunder bekommt tatsächlich täglich Anfragen auch von Privatpersonen, erzählt sie: "Wir werden förmlich überrannt." Kürzlich habe sich eine alleinerziehende Mutter gemeldet und nach einem Platz im ehemaligen Regierungsbunker gefragt. Für sich und ihr Kind, im Falle eines russischen Angriffs.
Schutzraum für die Regierung?
Und wo findet die Bundesregierung heute Schutz, im Falle eines Krieges? "Einen Regierungsbunker wie diesen historischen hier im Ahrtal, für alle Verfassungsorgane, den gibt es in dieser Form nicht mehr", verrät Hollunder.
Das Kanzleramt und die Bundesministerien seien separat verantwortlich dafür, dass die Regierungsgeschäfte an einem sicheren Ort weitergeführt werden könnten. "Wo, das darf ich Ihnen nicht sagen", sagt Hollunder.