Killerspiele, Bundeswehr, Waffenrecht Einmal alles anders, bitte!
So darf das nicht weitergehen: Das denken dieser Tage viele Menschen nach den Anschlägen in Süddeutschland. Doch was kann gegen die Gewalt getan werden? Es kursieren Forderungen zu Killerspielen, Waffen, Flüchtlingen und zur Bundeswehr. Eine Bestandsaufnahme.
Sollte die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden?
Soldaten der Bundeswehr: Ihr Einsatz im Inneren ist umstritten.
Das Problem:
Wenn mehr Sicherheitskräfte auf den Straßen unterwegs sind und aufpassen, dann sind die Bürger besser geschützt - so denken viele Menschen. Und wenn Deutschland Ziel eines terroristischen Anschlags wird, dann sollten möglichst viele Sicherheitskräfte wieder für Ordnung sorgen. Doch die Kapazitäten der Polizei sind begrenzt, seit Monaten klagt die Gewerkschaft der Polizei zudem über Überlastung der Beamten.
Die Forderung:
Die Bundeswehr soll bei Terroranschlägen auch im Inneren zum Einsatz kommen. Auch jetzt steht das wieder zur Debatte: Man müsse darüber diskutieren, ob es nicht die Situation geben kann, "dass bei einer Terrorlage, die sich an mehreren Orten möglicherweise über einen längeren Zeitraum erstreckt, dann auch die Bundeswehr mit hinzugezogen werden sollte", sagte der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer im ARD-Morgenmagazin. Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat eine entsprechende Diskussion angestoßen.
Was es zu bedenken gilt:
Die Einsatzbereiche von Polizei und Militär sind laut Verfassung klar voneinander getrennt: Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig, die Bundeswehr für die äußere Sicherheit. Das hat historische Gründe: Das Militär soll nicht als Machtinstrument für innere Angelegenheiten missbraucht werden können. Ein militärischer Waffeneinsatz im Inneren ist dem Grundgesetz zufolge nur erlaubt, wenn die Republik durch bürgerkriegsähnliche Zustände am Rande des Zusammenbruchs steht. Eine Ausnahme gibt es: Bei einer "Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall" darf die Bundeswehr auch im Inland die Polizei unterstützen. Die genaue Definition eines "besonders schweren Unglücksfalls" ist rechtlich aber unklar.
Es ist zudem umstritten, ob die Bundeswehr überhaupt für einen adäquaten Einsatz im eigenen Land ausgebildet und ausgerüstet ist.
Und: Ist es tatsächlich so, dass mehr Sicherheitskräfte auch mehr Sicherheit bedeuten? Auf den ersten Blick klingt es logisch: Mehr Sicherheitskräfte sehen mehr, können mehr ausrichten. Für klar definierte Räume mag das zutreffen - etwa bei der Sicherung eines Festival-Geländes. Schwierig wird es bei einer diffusen, unklaren Lage mit ständig wechselndem Publikumsverkehr - etwa bei der Sicherung einer Fußgängerzone, des Straßennetzes, einer Stadt. Das hat sich auch nach den Anschlägen von Paris gezeigt. Eine parlamentarische Untersuchungskommission hatte die Maßnahmen nach den Terrorattentaten untersucht: "Da war das Fazit nicht positiv. Man hat zum Beispiel bemängelt, dass die Sicherheitsmaßnahmen nicht so wirkungsvoll sind. Das bedeutet, dass sich Sicherheit eben nicht durch noch mehr Sicherheitskräfte und Polizisten erhöhen lässt", sagte die Terrorismusexpertin Alexandra von Nahmen jüngst in einem Interview mit der Deutschen Welle.
Wie wahrscheinlich ist eine Umsetzung?
Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist seit Monaten ein Thema in der Bundesregierung. Laut dem neuen Weißbuch der Bundeswehr sieht Verteidigungsministerin von der Leyen einen besonders schweren Unglücksfalls - bei dem die Bundeswehr laut Gesetz aktiv werden dürfte - "auch bei terroristischen Großlagen" gegeben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier lehnt indes eine Grundgesetzänderung ab. Mit Blick auf die konkreten, bereits eingeleiteten Maßnahmen ist auf längere Sicht ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren durchaus denkbar.
Sollten Killerspiele verboten werden?
Das Problem:
Der Amokläufer von München hat "Counter Strike" gespielt - ein bekanntes Killerspiel, bei dem der Spieler virtuelle Gegner umbringen muss. Damit reiht er sich ein in eine Riege von jungen Tätern in der Vergangenheit, die entsprechende Spiele ebenfalls am Computer zockten: Auch beim Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium 2002 mit 16 Todesopfern und beim Amoklauf von Winnenden mit 15 Todesopfern 2009 waren die Täter Killerspiel-Fans. Eine Parallele, die auch den Behörden auffällt: "Counter Strike" sei "ein Spiel, das bisher nahezu jeder ermittelte Amokläufer gespielt hat", sagte der Präsident des bayerischen Landeskriminalamtes, Robert Heimberger.
Die Forderung: Wegen der genannten Auffälligkeit sehen inzwischen viele in den Killerspielen die Ursache für die tödliche Aggression der Täter und fordern ein Verbot.
Was es zu bedenken gibt: Im Zentrum der Debatte steht die Frage, wie gefährlich Killerspiele sind. Zu dieser Fragestellung gibt es Dutzende Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen. Der Innsbrucker Professor für Sozialpsychologie, Tobias Greitemeyer, hat gemeinsam mit seinem Kollegen Dirk O. Mügge 98 Einzelstudien mit insgesamt mehr als 36.000 Teilnehmern untersucht und die Ergebnisse vor zwei Jahren in einer Meta-Studie veröffentlicht.
Das Ergebnis: Killerspiele fördern die Aggressivität der Spieler - jedoch nur in vergleichsweise geringem Maße. Zu einem ähnlichen Ergebnis war bereits eine vorangegangene Meta-Studie aus den USA gekommen, die ältere Studien untersucht hatte. "Die Alltagsaggressivität steigt bei den Spielern, aber es wird niemand wegen eines solchen Spiels zum Amokläufer", sagte Greitemeyer zu tagesschau.de. Der immense Hass und die Aggressionen, die Amokläufer entwickelten, gingen eher auf Veranlagung und soziale Erlebnisse zurück.
In einer neueren Studie aus dem vergangenen Jahr hat Greitemeyer eine weitere Erkenntnis herausgearbeitet: Junge Menschen, die sadistische Neigungen haben, spielen öfter Killerspiele als junge Menschen, die nicht zu Sadismus neigen. Sprich: Die Aggression der Täter führt dazu, dass sie eher Killerspiele spielen. Umgekehrt gilt dies nur in kleinem Maße.
Aufgrund dieser Erkenntnisse glaubt Greitemeyer nicht, dass Amokläufe mit einem Verbot von Killerspielen verhindert werden könnten. Dennoch plädiere er für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Spielen, da diese sich nicht positiv auf die Spieler auswirkten.
Wie wahrscheinlich ist eine Umsetzung: Bereits im Jahr 2008 hat der Bundestag mit einer Verschärfung des Jugendschutzgesetzes auf die seit Jahren anhaltende Killerspiel-Debatte reagiert. Seitdem dürfen Spiele, die nicht für Kinder und Jugendliche freigegeben sind, nur noch in geschlossenen Räumen verkauft werden. Wer im Internet Killerspiele mit Altersbeschränkung verkauft, muss das Alter der Käufers überprüfen. Eine weitere Verschärfung der Gesetze ist aktuell noch nicht im Gespräch. Es bleibt auch die Frage, wie sinnvoll ein Verbot überhaupt wäre: Die betreffenden Spiele lassen sich mit ein bisschen Geschick auch illegal im Internet besorgen.
Sollten die Waffengesetze verschärft werden?
Das Problem: Die meisten Amokläufe in Deutschland mit vielen Todesopfern werden mit Schusswaffen begangen. So auch im aktuellen Fall in München.
Die Forderung: Der Zugang zu Schusswaffen soll weiter verschärft werden. "Es ist immer noch viel zu einfach, an Schusswaffen zu kommen", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, heute. Unter anderem forderte der Innenpolitiker Standards für die möglichst irreversible Deaktivierung von Feuerwaffen. Eine solche umgebaute Waffe nutzte der Amokläufer in München.
Was es zu bedenken gibt: Um die Forderung nach schärferen Waffengesetzen bewerten zu können, steht zunächst die Frage im Raum: Woher haben Amokläufer ihre Schusswaffen? Einige Fälle, bei denen dies öffentlich bekannt ist:
Amoklauf in München, 2016, neun Todesopfer:
Der Täter hat sich seine Waffe ersten Erkenntnissen zufolge im Darknet besorgt.
Amoklauf in Ansbach, 2015, zwei Todesopfer:
Der Täter hatte eine Waffenbesitzkarte und war Sportschütze.
Amoklauf Dossenheim, 2013, drei Todesopfer:
Der Täter hatte eine Waffenbesitzkarte und war Sportschütze.
Amoklauf von Karlsruhe, 2012, vier Todesopfer:
Der Täter besaß die Waffen nicht legal.
Amoklauf in Winnenden, 2009, 15 Todesopfer:
Der Täter hatte die Waffe von seinem Vater, einem Sportschützen.
Amoklauf in Emsdetten, 2006, 37 Verletzte:
Der Täter ersteigerte einige ältere Waffen im Internet - laut Staatsanwaltschaft legal. Eine weitere Waffe - ein Gewehr - besaß er illegal.
Amoklauf von Erfurt, 2002, 16 Todesopfer:
Der Täter hatte eine Waffenbesitzkarte und war Sportschütze.
Es zeigt sich, dass die Mehrheit der genannten Amokläufer tatsächlich legale Waffen benutzt hat. Zu diesem Ergebnis kam auch die Bundesregierung im Jahr 2014, als sie auf eine Kleine Anfrage der Grünen antwortete. Das zeigt: Eine Verschärfung der Waffengesetze könnte mit Blick auf Amoktaten durchaus Wirkung zeigen.
Ähnlich sieht das auch die EU-Kommission. Sie legte Anfang des Jahres - nach den Anschlägen von Paris - einen Gesetzentwurf für ein verschärftes Waffenrecht vor. Demnach sollen Privatleute künftig bestimmte halbautomatische Waffen nicht mehr besitzen dürfen. Zudem sollen gefährlichen Waffen oder Waffenteile nicht mehr im Internet gekauft oder verkauft werden dürfen von Privatpersonen.
Dennoch: Das Waffenrecht in Deutschland gehört nach Angaben des Bundesinnenministeriums bereits jetzt zu den schärfsten in Europa. Die deutschen Gesetze wurde nach dem Amoklauf in Winnenden noch einmal verschärft: Bestimmte Waffen wurden verboten, die Aufbewahrungregeln für Schusswaffen deutlich verschärft. Seit der Novellierung dürfen die Behörden zudem fortlaufend prüfen, ob der Besitz einer Waffe noch angezeigt ist - vorher war dies nur alle drei Jahre möglich.
Wie wahrscheinlich ist eine Umsetzung: Die Bundesregierung äußerte sich heute nur zögerlich zu den Forderungen der Opposition. Bevor man nicht alle Umstände kenne, sei es nicht sinnvoll, Waffengesetze zu verschärfen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Er versprach, auf EU-Ebene auf wirksame Maßnahmen zu dringen. In der EU-Waffenrechtslinie, über die noch beraten werde, sei eine Änderung für Schreckschuss- und Salutwaffen vorgesehen. Der Umbau solcher Waffen, der sie wieder schussfähig macht, soll demnach künftig verhindert werden.
Sollten Flüchtlinge strenger kontrolliert werden?
Das Problem: Die jüngsten Anschläge in Würzburg, Ansbach und Reutlingen wurden ersten Ermittlungen zufolge von Asylbewerbern begangen. Während die Tat in Reutlingen offenbar eine Beziehungstat war, hatten die Anschläge von Würzburg und Ansbach offenbar einen islamistischen Hintergrund. Manche Menschen fürchten nun, dass in der Flüchtlingskrise vermehrt und leichter Islamisten nach Deutschland einreisen und Anschläge verüben könnten.
Die Forderung: Flüchtlinge sollen bei ihrer Einreise besser kontrolliert werden. Das fordert unter anderem der Vorsitzende der Deuschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. "Weder ist die Identität aller Menschen geklärt, die zu uns gekommen sind, noch ihr geistiger und körperlicher Zustand", sagte Wendt. "Wir erleben ja in diesen Tagen, dass sich psychische Labilität, Terrorismus, Kriminalität miteinander vermischen", fügte er hinzu. Umso wichtiger sei es, "dass wir die Menschen nicht nur unterbringen und verpflegen, sondern feststellen, wer da in unser Land kommt". Wendt plädierte dafür, "sich diese Menschen ganz genau anzuschauen, ob von ihnen eine mögliche Gefahr ausgeht".
Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann forderte das: "Es kann nicht sein, dass wir nicht wissen, wer sich in unserem Land aufhält", sagte er der "Welt". Schon bei der Erstkontrolle müsse die Identität der Flüchtlinge so gut es geht geklärt werden. Eine Selbstauskunft reiche nicht aus.
Was es zu bedenken gibt: Derzeit gibt es nach Angaben des Bundesinnenministeriums im Umfeld von Flüchtlingen 59 laufende Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verwicklung in terroristische Strukturen. Die Gefahr vor islamistischem Terror sei weiterhin groß. Die Bundesregierung warnte jedoch davor, Flüchtlinge generell unter Terrorverdacht zu stellen. "Die meisten Terroristen, die in den letzten Monaten in Europa Anschläge begangen haben, waren keine Flüchtlinge", betonte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer.
Die mutmaßlichen Täter von Würzburg, Reutlingen und Ansbach sind vor den Taten nicht auffällig gewesen. Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière liegen zu den Fällen in Ansbach und Reutlingen keine Erkenntnisse in sicherheitsrelevanten Datenbanken vor. Dies sei bei den beiden syrischen Flüchtlingen im Rahmen der Asylverfahren abgeglichen worden, "ohne dass es Treffer gab", sagte der Minister. Auch aktuell lägen weder dem Bundesamt für Verfassungsschutz noch dem Bundeskriminalamt zu den Männern "staatsschutzrelevante Erkenntnisse" vor. Auch der Würzburger Attentäter lebte bis zur Tat unauffällig.
Diese Informationen zeigen: Es hat in den vorliegenden Fällen nicht an einer strafrechtlichen Überprüfung der mutmaßlichen Täter gefehlt. "Die Fälle, über die wir jetzt reden, da hat es eine Sicherheitsüberprüfung gegeben", sagt de Maizière. Das Problem sei, dass es keine vollständige Datei möglicher Gefährder aus Syrien und dem Irak gebe. Deswegen ist die Speicherung von Fingerabdrücken bei der Einreise aus seiner Sicht nur bedingt erfolgversprechend.
Eine Überprüfung von Flüchtlingen auf ihre psychische Stabilität - wie von der Polizeigewerkschaft gefordert - könnte sich praktisch schwierig gestalten. Viele der Schutzsuchenden, die hier in Deutschland Asyl suchen, sind vor Krieg und Verfolgung geflohen. Außerdem haben sie die Strapazen einer Flucht hinter sich. Dass unter solchen Umständen ein Flüchtling psychisch labil ist, dürfte die Regel sein - und damit kein Kriterium, wonach Terroristen von Nicht-Terroristen unterschieden werden könnten.
Wie wahrscheinlich ist eine Umsetzung: Die Forderungen nach einer verschärften Kontrolle von Flüchtlingen sind in den vergangenen Tagen immer lauter geworden. Besonders die CSU macht Druck. Jedoch sind die Ideen für verschärfte Kontrollen bislang noch recht unkonkret. Die Erfolgschancen für eine Verschärfung der Kontrollen sind unklar.