Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr Fremdenlegion für Deutschland?
Rüstung, Auslandseinsätze und Nachwuchsgewinnung - das sind die zentralen Themen des Weißbuches, das das Bundeskabinett heute beschlossen hat. Die Weichenstellungen in diesen Bereichen bieten politischen Zündstoff.
"Mach, was wirklich zählt" - mit diesem Werbespruch kämpft die Bundeswehr derzeit um Nachwuchs. Doch offensichtlich ist man sich im Verteidigungsministerium nicht so sicher, ob es genug junge Leute gibt, die glauben, dass Drill am Klappspaten und riskante Auslandseinsätze genau das sind, was im Berufsleben zählen sollte.
Im neuen "Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr", das heute im Kabinett verabschiedet wurde, ist jedenfalls die Rede davon, dass auch EU-Ausländer ein "weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für die personelle Robustheit der Bundeswehr" wären. Anders formuliert: Die Bundeswehr würde gerne auch EU-Bürgerinnen und Bürger ohne deutschen Pass in Uniformen stecken.
In Weißbüchern legt Deutschland seine politischen Grundlinien nieder, vor allem zu außenpolitischen Fragen. Erstmals wurde im "Deutschen Reich" 1876 ein Weißbuch veröffentlicht. Den Namen hat das Weißbuch von seiner Umschlagfarbe. In anderen Ländern haben vergleichbare Dokumente eine andere Umschlagfarbe. So etwa Grün in Italien, Gelb in Frankreich oder Blau in Großbritannien. Auch die Europäische Union veröffentlicht Weißbücher zu wichtigen politischen Fragestellungen.
Eine solche "Fremdenlegion", wie Kritiker den Vorstoß schnell brandmarkten, könnte aber nur durch eine Änderung des Soldatengesetzes möglich werden. Dieses Gesetz sieht die deutsche Staatsbürgerschaft als Voraussetzung für den Dienst in den Streitkräften vor. Sehr konkret ist die Idee also nicht und damit passt sie gut in das Weißbuch, denn es bleibt in vielen Punkten im Ungefähren.
Das wichtigste sicherheitspolitische Grundsatzdokument der Bundesregierung ist zuletzt vor zehn Jahren vom damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung vorgelegt worden. Damals wurde dort vor allem der Ansatz der "vernetzten Sicherheit" - also das Zusammenwirken von militärischen, entwicklungspolitischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln - als Maßnahmen der Außenpolitik beschrieben.
Hybride Kriegsführung und Widerstandsfähigkeit
Die Neuauflage von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen beschreibt auf 82 Seiten vor allem bekannte Bedrohungen von IS bis "Hybrider Kriegführung" und bedient sich dabei vor allem der üblichen wolkigen diplomatischen Polit-Prosa. Es ist viel von "Resilienz" die Rede, zu Deutsch von "psychischer Widerstandsfähigkeit von Menschen", also ihrer Fähigkeit, mit Krisen umzugehen.
Deutschland soll demnach seine Infrastruktur im Rahmen des Ausbaus der zivilen Verteidigung verstärken. Besonders Cyber-Angriffen will man damit etwas entgegensetzen. Doch was genau da geschehen soll - da bleibt das Papier reichlich unkonkret.
"Diplomatische Floskel" von "gewachsener Verantwortung"
Andererseits ist viel von der Verantwortung der Bundesrepublik in der Welt die Rede. Das Weißbuch reihe sich damit ein "in eine Kette von politischen Erklärungen, die Deutschlands Rolle in der Welt aufwerten sollen", kritisiert Alexander Neu, der für die Linkspartei im Verteidigungsausschuss sitzt. Für ihn suggeriert die "diplomatische Floskel" von der "gewachsenen Verantwortung Deutschlands" eine Alternativlosigkeit zur klassischen Großmachtpolitik unter Einschluss militärischer Mittel. Und die bekämen mit dem Weißbuch ein viel zu großes Gewicht, findet Neu: "Dabei lauern die Gefahren für die internationale Stabilität ganz woanders: internationaler Terrorismus, Klima, Hunger und Flucht. Alles Herausforderungen, die nicht militärisch anzugehen sind."
Lange war es in der Berliner Republik Konsens, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr möglichst nur unter einem Mandat der Vereinten Nationen stattfinden sollten. Im Weißbuch findet sich allerdings auch der Begriff der "Ad-hoc-Kooperationen". Hier geht es um Koalitionen von sogenannten Willigen, wie etwa bei der US-geführten Anti-IS-Koalition in Syrien und dem Irak. Sie sollen künftig ein Normalfall für die Entsendung der deutschen Streitkräfte werden.
Agnieszka Brugger, Verteidigungsexpertin der Grünen, hält dies für "einen Angriff auf die rechtlichen Grundlagen für Auslandseinsätze" und einen "völlig verfehlten Vorstoß und eine heftige Missachtung der Vorgaben des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes". Dies untergrabe Handlungsfähigkeit und Legitimität der UN, "obwohl gerade ihre Stärkung dringend erforderlich wäre".
Klares Bekenntnis zu "Ertüchtigungspolitik"
Zwar heißt es auch im Weißbuch, dass sich Deutschland stärker bei UN-Einsätzen engagieren wolle. Doch eigene Soldaten an alle globalen Konfliktherde entsenden, um quasi als Welthilfspolizist für Ordnung zu sorgen, das will von der Leyen dann doch nicht. Im Weißbuch findet sich deshalb ein klares Bekenntnis zur "Ertüchtigungspolitik", die Kanzlerin Angela Merkel schon seit einigen Jahren immer wieder öffentlich vertritt. Die besagt, dass man andere Länder in die Lage versetzen wolle, selbst für Sicherheit in ihrer jeweiligen Region zu sorgen. Das bedeutet aber nichts Anderes als die Ausbildung von Militär und Sicherheitskräften und die Lieferung von Waffen.
Auch die Bundeswehr soll laut Weißbuch besser ausgerüstet und ihre militärischen Fähigkeiten ausgebaut werden. Dabei wird etwa eine vermeintliche Bedrohung durch Russland als eine Begründung präsentiert. Für Brugger ein falsches Signal: "Aufrüstung und Kalter-Kriegs-Denke werden nicht mehr, sondern weniger Sicherheit schaffen. Vielmehr müssten endlich die zivilen Instrumente gestärkt werden, gerade sie tauchen jedoch im Weißbuch nur als leere Floskeln auf."