ARD-DeutschlandTrend Knappe Mehrheit will an Schuldenbremse festhalten
Schuldenbremse lockern oder nicht? Diese Frage spaltet die Ampel. 53 Prozent der im DeutschlandTrend Befragten befürworten eine Beibehaltung. Bei der Frage nach Regierungsbeteiligungen von AfD und BSW gehen die Meinungen auseinander.
Kurz vor den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stellt sich vermehrt die Frage, in welchen Konstellationen anschließend Regierungen möglich sein werden. Bei der Europawahl wurde die AfD in allen drei Bundesländern stärkste Kraft und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erhielt jeweils aus dem Stand zweistellige Werte.
Zwar sind Europawahlen keine Landtagswahlen, aber auch in den aktuellen Umfragen in den Ländern ist die AfD stärkste Kraft; das BSW findet weiter hohe Zustimmung, während die Linke (mit Ausnahme von Thüringen), aber auch die SPD (mit Ausnahme von Brandenburg), die FDP und die Grünen teilweise um den Einzug in den jeweiligen Landtag bangen müssen. Möglicherweise wird eine Regierung nur schwer zu bilden sein, in der weder AfD noch BSW beteiligt sind.
Mögliche Regierungsbeteiligung: eher BSW als AfD
Aktuell würden die Deutschen lieber das Bündnis Sahra Wagenknecht in Regierungsverantwortung sehen als die AfD. Das hat der ARD-DeutschlandTrend ergeben, in dem von Montag bis Mittwoch 1.311 Wahlberechtigte befragt wurden. Demnach äußerten sich 39 Prozent positiv über eine mögliche Beteiligung des BSW an der Regierung in einem der drei Bundesländer, 49 Prozent fänden das nicht gut. Bei dem Thema gehen die Meinungen in Ost- und Westdeutschland stark auseinander: Während im Osten eine Mehrheit (56 Prozent) eine BSW-Beteiligung gut und etwas weniger als ein Drittel eine solche nicht gut fände, äußert im Westen eine Mehrheit Ablehnung (54 Prozent) und ein Drittel Zustimmung (34 Prozent).
Eine AfD-Beteiligung an einer Landesregierung wird hingegen mehrheitlich kritisch gesehen - und das sowohl im Osten als auch im Westen. Insgesamt 68 Prozent lehnen eine AfD-Beteiligung ab; ein Viertel fände das gut. Im Osten ist die Skepsis etwas weniger ausgeprägt: 33 Prozent fänden die AfD in der Landesregierung von Sachsen, Thüringen oder Brandenburg gut; 60 Prozent nicht gut. Im Westen fänden das 23 Prozent gut und 71 Prozent nicht gut.
Hälfte für Beibehaltung der Schuldenbremse
Die Diskussion um den Bundeshaushalt 2025 wird weiterhin auch öffentlich geführt - und die Standpunkte sind klar: FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner tritt für die Einhaltung der Schuldenbremse ein, aus den Reihen der SPD und der Grünen kommen regelmäßig Vorstöße, die Schuldenbremse zu lockern. Der Finanzminister weiß dabei eine knappe Mehrheit der Befragten hinter seiner Haltung: 53 Prozent (-1 im Vergleich zu Mai 2024) wollen die Schuldenbremse beibehalten, 41 Prozent (+1) wollen diese gerne lockern.
In den Anhängerschaften spiegeln sich die unterschiedlichen Haltungen der Ampel wider: Während sich fast drei Viertel (73 Prozent) der FDP-Anhänger für die Schuldenbremse aussprechen, sind es bei SPD- und Grünen-Anhängern Mehrheiten, die sich für eine Lockerung der Schuldenbremse aussprechen (57 Prozent der SPD-Anhänger und 72 Prozent der Grünen-Anhänger).
Sich bei so grundlegenden Differenzen auf einen gemeinsamen Haushalt zu einigen, scheint die Koalition viel Kraft zu kosten. Vor allem die FDP auf der einen und Grüne und SPD auf der anderen Seite arbeiten sich aneinander ab - das zeigt auch ein Blick in die Anhängerschaften. So sehen 38 Prozent der FDP-Anhänger die Hauptverantwortung dafür, dass der Entwurf für den Haushalt des nächsten Jahres noch nicht aufgestellt ist, bei den Grünen und 20 Prozent bei der SPD. Während für 62 Prozent der Grünen-Anhänger und 39 Prozent der SPD-Anhänger klar ist, dass die Hauptverantwortung für die noch ausstehende Etat-Einigung bei der FDP liegt.
Bundesregierung überzeugt weiterhin nicht, Union stärkste Kraft
Von der anhaltend negativen Sicht auf die Ampel-Regierung kann weiterhin die Union am stärksten profitieren. In der aktuellen Sonntagsfrage sind CDU/CSU mit 32 Prozent weiterhin stärkste Kraft. Die Ampel-Parteien würden gemeinsam ebenfalls 32 Prozent der Stimmen erreichen: Die SPD käme aktuell auf 15 Prozent (+1), die Grünen auf 12 Prozent (-1) - für sie ist es der schwächste Wert im ARD-DeutschlandTrend seit April 2018. Die FDP könnte unverändert mit 5 Prozent rechnen.
Die AfD hätte 16 Prozent (-1) in Aussicht und wäre damit nur noch knapp zweitstärkste Kraft. Das Bündnis Sahra Wagenknecht verbessert sich um einen Punkt und landet aktuell bei 9 Prozent. Auf alle anderen Parteien entfallen derzeit 11 Prozent, darunter auch die Partei Die Linke.
US-Wahl: Stimmungsumschwung in Deutschland
Nachdem US-Präsident Joe Biden seinen Rückzug von einer erneuten Kandidatur bekanntgegeben hat und nun seine Vize Kamala Harris als Kandidatin der Demokraten gegen den republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump antritt, messen wir in Deutschland einen Stimmungsumschwung mit Blick auf die US-Wahl. Während Anfang Juli (als Biden noch im Rennen war) 59 Prozent der Befragten angaben, dass keiner der Kandidaten sie überzeugt (Biden kam auf 28 Prozent, Trump auf 9 Prozent), geben Anfang August gut drei Viertel (77 Prozent) der Befragten in Deutschland an, dass Kamala Harris als Kandidatin sie eher überzeugt, 10 Prozent sprechen sich für Trump aus und 8 Prozent für keinen der beiden.
Auch in den USA hat sich die Stimmung gedreht, jedoch in einem anderen Ausmaß. Als Biden noch Kandidat war, lag er in den nationalen Umfragen hinter Trump. Auch in den meisten Swing States, den US-Bundesstaaten, in denen beide Parteien grundsätzlich Chancen haben die Wahl zu gewinnen und auf die es am Ende der Wahl ankommen wird, lag Trump in den Umfragen vorn.
Es war für die Demokraten offenbar kein Szenario mehr denkbar, wie sie die Stimmung hätten drehen können - erst recht nicht nach der verheerenden TV-Debatte zwischen Biden und Trump. Mit Harris als Kandidatin ist das Rennen nun wieder offener und ein Sieg für beide Seiten wieder denkbar.
Vollkommen offen ist jedoch, in welche Richtung sich die politische Stimmung bewegt. Das wird vor allem davon abhängen, wie sich Harris und Trump in den kommenden knapp drei Monaten präsentieren, wie die beiden in Drucksituationen reagieren, aber vor allem welche Wählerinnen und Wähler am Ende - insbesondere in den Swing States - von den Parteien motiviert werden können, ihre Stimme abzugeben.
Gaza-Krieg: Kritik am Vorgehen Israels wächst
Vor dem Hintergrund einer möglichen weiteren Eskalation im Nahen Osten mehrten sich zuletzt Stimmen, die Bundeswehr solle sich am Schutz Israels beteiligen. Das forderte am Wochenende etwa der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter im Spiegel. Eine militärische Unterstützung Israels durch Deutschland lehnt eine Mehrheit der Bundesbürger (68 Prozent) allerdings ab. Diese mehrheitliche Ablehnung zieht sich durch alle Parteianhängerschaften. Jeder fünfte Deutsche (19 Prozent) fände eine militärische Unterstützung Israels dagegen richtig, etwa bei der Betankung von Kampfjets befreundeter Nationen oder durch den Einsatz von Eurofightern der Bundeswehr, zum Beispiel zur Abwehr von Drohnen.
In Deutschland fällt die Kritik am Vorgehen Israels etwas größer aus als noch im Frühjahr. Die militärische Reaktion Israels auf die Terroranschläge der Hamas geht aktuell für mehr als die Hälfte zu weit (57 Prozent; +7 zu März), ein Fünftel hält sie für angemessen (21 Prozent; -7).
Fast jeder Fünfte (18 Prozent, -5) ist der Ansicht, militärische Aktionen Israels gegen die Hamas seien auch dann gerechtfertigt, wenn die palästinensische Zivilbevölkerung mitbetroffen ist. Zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent, +7) halten militärische Aktionen für nicht gerechtfertigt, wenn die Zivilbevölkerung im Gazastreifen betroffen ist.
Für die aktuelle Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen schreiben die Bürgerinnen und Bürger die Verantwortung aber weiterhin stärker der Terrororganisation Hamas als Israel zu: Drei Viertel (74 Prozent, +1) halten die Hamas für voll und ganz oder eher verantwortlich dafür; jeder Zehnte (10 Prozent, -1) beschreibt sie als eher nicht oder überhaupt nicht verantwortlich. Israel ist nach Meinung von sechs von zehn Deutschen (61 Prozent, -1) voll und ganz oder eher verantwortlich für die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen; jeder Fünfte (19 Prozent,-3) hält Israel für eher nicht oder überhaupt nicht verantwortlich.
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 05. bis 07. August 2024
Fallzahl: 1.311 Befragte (782 Telefoninterviews und 529 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.