Demos gegen Agrarkürzungen Werden die Bauernproteste von rechts gekapert?
Ab Montag wollen Landwirte erneut für den Erhalt von Subventionen demonstrieren. Einen Teil ihrer Forderungen haben sie bereits erreicht. Doch unter die Protestbewegung mischen sich auch Gruppen, die ganz andere Ziele verfolgen.
"Dann werden wir am 8. Januar überall präsent sein, in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat", hatte Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied Ende vergangenen Jahres bei einer Kundgebung gerufen. Jetzt steht der 8. Januar vor der Tür und tatsächlich erlebt das Land Situationen, die es so schon lange nicht mehr erlebt hat.
Am Donnerstagabend verhinderten mehr als 100 Demonstranten, dass eine Fähre im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel anlegen konnte. Auf der Fähre war Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Einige Demonstranten versuchten, eine Polizeiblockade zu durchbrechen und auf die Fähre zu gelangen.
Die etwa 30 Polizistinnen und Polizisten mussten mit Pfefferspray eine Eskalation verhindern. Schließlich legte die Fähre mitsamt ihrer Fahrgästen wieder ab. Auf X (ehemals Twitter) und Telegram hatten Personen bereits mittags dazu aufgerufen, einen "Bürgerdialog" mit Habeck zu starten. Die Agitatoren stammen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung.
"Wiederbelebung einer völkischen Protestbewegung"
Es ist nicht das erste Mal, dass rechte Gruppen auf Protesten der Bauern auftauchen. Schon bei einer großen Demonstration in Stuttgart Ende vergangenen Jahres hing eine Ampel symbolisch an einem Galgen. Auch die schwarze Fahne der Bauernbewegung Landvolk prangte an mehreren Traktoren.
"Das ist eine Wiederbelebung einer völkischen Protestbewegung, die früher terroristische Züge getragen hat", erklärt Axel Salheiser, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. "Wer diese Symbole mit dem Pflugschar und dem Schwert zeigt, wer sich in diese Tradition stellt, der symbolisiert eine Form des reaktionären Widerstandes."
Proteste dürften nicht von rechts "delegitimiert werden"
Salheiser beobachtet die Proteste und hat bemerkt, dass völkisch-nationalistisch bis rechtsextreme Gruppen versuchen, die Proteste für sich zu nutzen: "Die nutzen das als Vehikel für ihre Umsturzfantasien", sagt Salheiser. Die Inszenierung eines Volksaufstandes gegen eine angebliche Diktatur in Berlin werde von rechtsextremen Gruppen angepeilt. "In sozialen Medien sind die Aufrufe mehr als eindeutig."
Auch Logos der Partei "Heimat", die Nachfolgeorganisation der NPD, tauchten bei den Protesten in Stuttgart auf. Und was heißt das für die kommende Protestwoche der Bauern, die auf Initiative des Bauernverbandes zurückgeht?
"Wir distanzieren uns als Bauernverband unmissverständlich klar von radikalen Positionen und Gewalt", sagt Hans-Benno Wichert, Vizepräsident des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg. "Da gibt es auch nichts zu diskutieren. Bei unseren Veranstaltungen ist dafür kein Raum und kein Platz. Wenn solche Plakate auftauchen, dann müssen die entfernt werden." Natürlich gebe es Trittbrettfahrer, aber die Proteste dürften nicht durch Aktionen aus der rechten Ecke delegitimiert werden. Denn das schade dem Anliegen der Bauern.
"Das trifft die Leute ins Mark, das Geld fehlt"
Die Bauern haben einen Teil ihrer ursprünglichen Forderungen schon erreicht. Am Donnerstag einigten sich der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) mit seinen Kollegen der Landesebene, dass Forst- und Landwirtschaftsmaschinen von der Kfz-Steuer ausgenommen bleiben. Und auch die Subventionen für den Agrardiesel sollen nicht sofort fallen, sondern über mehrere Jahre zurückgefahren werden.
Das reicht den Bauern allerdings nicht. "Solche Einschnitte der Politik bedeuten eindeutig Einkommensrückgang. So schnell können wir uns gar nicht darauf einstellen", sagt Wichert im Gespräch mit tagesschau.de. "Das trifft die Leute ins Mark, das Geld fehlt." Und deshalb würden auch viele Landwirte in der kommenden Woche auf die Straße gehen.
Bauern beklagen Verlust der Planungssicherheit
Wichert stört vor allem, dass die Landwirtschaft sich nicht mehr auf die Politik verlassen könne: "Wenn wir einen Stall bauen, dann muss der auf 20 Jahre gerechnet werden. Wir brauchen eine Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Das ist überlebensnotwendig, aber geht in den letzten Jahren in der Politik verloren."
Die Proteste an sich findet auch Demokratieforscher Axel Salheiser legitim. Jedoch müsse man genau hinschauen, wer sich ihnen anschließt: "Wir haben gesehen, dass die Mobilisierung zu den Protesten nicht nur vom deutschen Bauernverband ausgeht, sondern auch aus Netzwerken, die bei der Corona-Pandemie und in der Energiekrise mobil gemacht haben. Die hängen sich einfach an die Proteste an."