Pläne der Ampelkoalition Tausende Bauern protestieren gegen Agrar-Kürzungen
Tausende Landwirte haben in Berlin gegen die geplante Streichung von Steuerleichterungen protestiert. Für den Fall, dass die Ampelkoalition ihre Pläne nicht zurücknimmt, drohte Bauernpräsident Rukwied mit "einem sehr heißen Januar".
Aus Protest gegen die vorgesehene Streichung von Steuervergünstigungen haben Tausende Landwirte gegen die Bundesregierung mobil gemacht. Allein an der Demonstration am Brandenburger Tor nahmen nach Veranstalterangaben 8.000 bis 10.000 Menschen teil, mehr als 3.000 Traktoren rollten in die Hauptstadt.
Der Bauernverband hatte bundesweit über seine Landesverbände zu Protesten aufgerufen. Auch in anderen Städten gab es Kundgebungen. Bauernpräsident Joachim Rukwied warnte in Berlin: "Wir nehmen das nicht hin." Die Pläne der Regierung seien "eine Kampfansage" - und diese nehme man an.
Ruckwied: "Es reicht, zu viel ist zu viel"
Die Bundesregierung will bei den Hilfen für Bauern etwa 900 Millionen Euro jährlich einsparen. Dies sieht eine Einigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner zum Bundeshaushalt 2024 vor. Sie vereinbarten, die teilweise Steuer-Rückerstattung beim Agrar-Diesel (etwa 440 Millionen Euro jährlich) und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen.
Wenn die Ampelkoalition ihre Vorschläge nicht zurücknehme, würden Landwirte mit weiteren Protesten dafür sorgen, dass es "einen sehr heißen Januar" geben werde, sagte Rukwied. "Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat."
Der Bauernpräsident erklärte, mit dem Wegfall der Regelungen zum Agrar-Diesel und der Kfz-Steuerbefreiung würde die Branche pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet. "Es reicht, zu viel ist zu viel", rief er bei der Kundgebung. Den anwesenden Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir forderte er auf, Druck in der Regierung für die Bäuerinnen und Bauern und die ländlichen Räume zu machen.
Özdemir will für die Bauern kämpfen
Özdemir stellte sich auch den protestierenden Landwirten am Brandenburger Tor. Der Minister betonte, er habe in der Regierung davor gewarnt, den steuervergünstigten Agrar-Diesel und die Kfz-Steuer-Befreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge abzuschaffen.
"Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang", erklärte der Grünenpolitiker. Der geplante Wegfall der Vergünstigungen treffe die Landwirtschaft viel härter als andere Branchen. "Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt", sagte Özdemir, dessen Rede mehrfach von Pfiffen und "Ampel weg"-Rufen unterbrochen wurde.
Habeck pocht auf "tragfähige Gegenfinanzierung"
Wirtschaftsminister Habeck forderte für einen solchen Fall Alternativen zur Finanzierung ein. "Als ehemaliger Landwirtschaftsminister weiß ich, unter welch hohem Druck Landwirte wirtschaften", sagte er dem "Handelsblatt". "Aber wer an einer Stelle Änderungen wünscht, muss eine abgestimmte und für alle Seiten tragfähige Gegenfinanzierung anbieten."
Habeck verwies auf das Finanzministerium, wo jetzt die Haushaltsvorlage erstellt wird. "Ich bin gespannt, ob es da Alternativen gibt. Was wir uns nicht leisten können, ist, keine Antwort zu geben." Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert mahnte, dass es bei Änderungen Vorschläge zur Gegenfinanzierung geben müsse. Dafür setzte sich seine Partei beim Agrar-Diesel ein. Das Gesamtpaket der Ampel-Spitzen werde nicht wieder aufgeschnürt, höchstens wenige Einzelmaßnahmen. Die Vereinbarungen seien trotz einigem Getöse belastbar.
Greenpeace hält Wegfall für verkraftbar
Die Union kritisierte die Einsparpläne erneut scharf. CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte: "Ohne jede Rücksicht bringt die Bundesregierung die deutschen Bauern in Existenznot." Diese Ignoranz und Arroganz seien unerträglich. CDU-Agrarexperte Albert Stegemann sagte, beide Sparmaßnahmen träfen direkt die Landwirte und schwächten die ländlichen Räume. Özdemir müsse sich voll und ganz hinter die Bäuerinnen und Bauern stellen.
Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, der Wegfall der Subvention bei Agrar-Diesel sei angesichts rekordverdächtiger Agrar- und Lebensmittelpreise und vieler weiterer Agrarsubventionen verschmerzbar. "Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen - Agrar-Diesel staatlich zu verbilligen ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft", sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. Anders als vom Bauernverband behauptet, werde das Ende der Dieselsubventionen kein massives Höfesterben zur Folge haben.
Geschäftsaussichten für Landwirte eingetrübt
Die Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro - ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch hatte der Bauernverband sich aber bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert.
Mit Informationen von Birthe Sönnichsen, ARD-Hauptstadtstudio.