Seit Hamas-Überfall auf Israel Massiver Anstieg bei antisemitischen Straftaten
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel hat das BKA in Deutschland mehr als 1.100 antisemitische Delikte registriert - ein starker Anstieg zu den vorherigen Quartalen. Israels Botschafter Prosor fordert ein "Aufwachen".
Seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober ist die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland deutlich gestiegen. Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnete allein zwischen dem Tag des Überfalls und dem 21. Dezember mehr als 1.100 Delikte im kriminalpolizeilichen Meldedienst für Fälle politisch motivierter Kriminalität, wie die Nachrichtenagentur dpa meldet. Es handele sich dabei vor allem um Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen, hieß es vom BKA.
Die Zahl liegt deutlich höher als in jedem der ersten drei Quartale 2023 - im ersten wurden nach Zahlen des Bundesinnenministeriums 558, im zweiten 609 und im dritten 540 antisemitische Delikte registriert. Darunter fallen links- und rechtsextremistisch motivierte Übergriffe ebenso wie Taten aus den Kategorien "religiöse Ideologie" und "ausländische Ideologie".
Die mehr als 1.100 Straftaten seit Anfang Oktober sind dagegen nur die im Zusammenhang mit der Eskalation des Nahost-Konflikts erfassten. Die Gesamtzahl dürfte also noch deutlich höher liegen.
Addiert ergeben die bis zum 21. Dezember verfügbaren Zahlen in diesem Jahr bislang 2.807 erfasste Delikte. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 wurden 2.874 antisemitische Straftaten registriert, darunter 88 Gewalttaten.
"Verhältnisse, die nicht normal sind"
Angesichts des spürbar wachsenden Antisemitismus fordert Israels Botschafter Ron Prosor ein "Aufwachen". "Die Tatsache, dass Juden Angst haben, mit einer Kippa auf die Straße zu gehen oder auf Hebräisch in ihre Handys zu sprechen, das kann einfach nicht sein", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Leute, die Angst haben, ihre Kinder in die Schule zu bringen, wenn die Schule nicht geschützt wird: Das sind Verhältnisse, die nicht normal sind."
Prosor betonte, zunehmender Antisemitismus sei kein rein deutsches Problem - "in Deutschland ist es aber noch wichtiger als anderswo, das zu ändern", sagte er. "Wenn Molotowcocktails geworfen werden, um Synagogen in Brand zu stecken, dann kann man nicht nur mit Worten darauf reagieren, man muss praktisch etwas tun."
Gefahr für gesamte Gesellschaft
Prosor sieht eine Schlüsselfunktion in der Schulbildung: Vor allem junge Menschen "fremdelten" mit Israel, deshalb müsse für bessere Bildung über Israel gesorgt werden. Antisemitismus sei gefährlich, egal ob er aus der rechtsradikalen, linksradikalen oder muslimischen Ecke komme - und für die Gesellschaft insgesamt. Zugleich würdigte Prosor das Vorgehen deutscher Sicherheitsbehörden gegen antisemitische Übergriffe und die Gefahr von Terroranschlägen.
Bildungsministerin ermahnt Universitäten
Gestern hatte sich Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger alarmiert gezeigt angesichts steigender antisemitischer Vorfälle an deutschen Universitäten. Sie forderte in der "Augsburger Allgemeinen" ein robustes Vorgehen der Hochschulen - "die Ausübung des Hausrechts bis hin zur Exmatrikulation in besonders schweren Fällen."
Was vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vielleicht nur gedacht und nicht gelebt worden sei, zeige sich jetzt ganz öffentlich - auch in den Hochschulen, beklagte die FDP-Politikerin. Diese rangierten in Deutschland "nach der Straße, sozialen Medien und öffentlichen Gebäuden auf Platz vier der Orte, an dem am meisten antisemitische Vorfälle gemeldet werden". Universitäten seien Orte gesellschaftlicher Debatte - "aber Antisemitismus ist keine Meinung, sondern Antisemitismus ist Ausdruck von Hass und Verschwörungstheorien".