Mangel an Antibiotika-Säften "Die Situation für die Kinder ist prekär"
Apotheker sprechen von einer katastrophalen Situation: In Deutschland sind Antibiotika für Kinder knapp. Das hat schon jetzt Folgen für die Behandlung von Patienten - und ein Ende des Mangels ist nicht in Sicht.
Kranke Kinder in Deutschland können nach Angaben von Ärzteverbanden derzeit zum Teil nicht ausreichend mit Antibiotika-Säften versorgt werden. Die Situation sei sehr besorgniserregend, sagte Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der Nachrichtenagentur dpa.
"Die Situation für die Eltern ist prekär, für die Kinder sowieso", so Maske. Selbst Kinder die "wirklich dringend" ein Antibiotikum bräuchten, bekämen keins. "Da kann man sich schon vorstellen, dass das für die Gesundheit nicht so gut ist und auch das Leben in Gefahr ist." Täglich seien viele Kinder, etwa mit einer Lungenentzündung, einer schweren Ohrenentzündung oder einer Streptokokken-Infektion, auf Antibiotika angewiesen. Ländliche und städtische Gebiete seien von dem Mangel gleichermaßen betroffen.
"Die Betroffenheit ist riesig"
Das Bundesgesundheitsministerium hatte am Dienstag einen Versorgungsmangel bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Mit der Bekanntmachung wird es Landesbehörden ermöglicht, flexibler auf Lieferengpässe zu reagieren. Dieser Mechanismus kann in Kraft gesetzt werden, weil beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Art Frühwarnsystem eingerichtet ist.
"Die Betroffenheit ist riesig", so Maske. In seiner Praxis in Berlin-Schöneberg bekämen täglich - bei etwa 100 bis 150 Patienten - rund 30 Kinder Antibiotika verordnet. Was wird getan, wenn das passende Medikament aus ist? Nach Angaben von Maske gibt es Antibiotika der zweiten und dritten Wahl, die aber schlechter wirken und das Risiko für sich bildende Antibiotika-Resistenzen erhöhen.
"Die Konsequenz, wenn wir die Kinder nicht mehr therapieren können, aber therapieren müssen, ist, sie ins Krankenhaus einzuweisen." In den Kliniken sei die Versorgung mit intravenösen Antibiotika noch relativ gut, aber auch dort käme es derzeit teilweise vor, dass bestimmte Mittel nicht mehr vorrätig seien.
Ende des Mangels nicht absehbar
Ein Ende des Mangels sei nicht in Sicht, heißt es von der Berliner Kammer. Peter Stahl, Kammerpräsident in Rheinland-Pfalz, sagte der "Bild": "Gefühlt jede zweite Verschreibung ist inzwischen ein Problem." Kammer-Chef Carsten Wohlfeil (Saarland) berichtete, viele Patienten müssten weite Wege auf sich nehmen, um eine Apotheke mit der nötigen Arznei zu finden.
Ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, das dem Gesundheitsministerium untergeordnet ist, betonte allerdings, auf europäischer Ebene gebe es erste Signale für eine Stabilisierung der Verfügbarkeit von Antibiotika.
Kritik von der CDU
Auffallend mehr Krankheitsfälle als gewöhnlich gibt es laut Maske derzeit nicht. Er fordert das Bundesgesundheitsministerium dazu auf, die Probleme bei der Beschaffung von Medikamenten so schnell wie möglich zu lösen. Es dürfe nicht dazu kommen, dass auch noch die Versorgung in den Krankenhäusern gefährdet werde. "Sonst sterben tatsächlich Kinder oder es kommt zu schweren Komplikationen, die wir so noch nie gesehen hätten."
Auf politischer Ebene kommt Kritik aus der Opposition. "Jetzt rächt sich der jahrelange Sparzwang bei Medikamenten, vor allem aber das Abwarten von Gesundheitsminister Lauterbach", sagt CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge. Längst hätte der SPD-Minister ein Frühwarnsystem für Lieferengpässe einführen können. "Es ist höchste Zeit, dass Minister Lauterbach den Medikamentenmangel entschlossen bekämpft", so Sorge.