Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit Bündnis setzt sich für schnelles AfD-Verbot ein
Ein Zusammenschluss aus Gewerkschaftern, Historikern und Aktivisten will ein AfD-Verbot voranbringen. Die Partei verstoße gegen Artikel 1 des Grundgesetzes. Verfassungsrechtler sind skeptisch.
"Es ist unsere moralische und verfassungsrechtliche Pflicht, einzuschreiten", sagt Julia Dück, Sprecherin der Kampagne "Menschenwürde verteidigen - AfD-Verbot jetzt!" Sie beklagt eine "Normalisierung" der AfD - wie sie in Wahlergebnissen, Parlamenten und in der Gesellschaft stattfinde. Für Dück ist die AfD keine Partei wie andere auch. Sie gehöre stattdessen verboten.
AfD als parlamentarischer Arm von Verfassungsfeinden?
Mit einer Kampagne will ein Bündnis von Gewerkschaftern, Historikern und linken Anwälten und Aktivisten die anderen Parteien dazu bewegen, ein Verbot der AfD beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen. Dück und ihre Mitstreiter haben zur Pressekonferenz ins Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin geladen.
Auf dem Podium sitzt auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Er sieht ebenfalls eine Gefahr in der AfD und einen Rechtsruck in der Gesellschaft: "Das sind große Kräfte, die die Gleichwürdigkeit aller Menschen, also Artikel 1 des Grundgesetzes, massiv in Frage stellen. Und wir sehen die AfD als deren parlamentarischen Arm."
Vorwurf: Verstoß gegen die Menschwürde
Der Kernvorwurf der Initiatoren der Kampagne: Die AfD verstoße gegen die Menschenwürde - und damit gegen Artikel 1 des Grundgesetzes. "Sie schürt Hass und Rassismus und damit legitimiert sie auch Gewalt. Das führt zu Anschlägen wie in Halle und Hanau oder dem Mord an Walter Lübcke", sagt Dück. Das sind schwere Vorwürfe.
Ein Parteiverbot müsste beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden - durch die Bundesregierung, den Bundestag oder den Bundesrat. Das Bündnis will nun auf genau diese Institutionen Druck machen, einen solchen Antrag zu stellen.
Aussichten für Verbot umstritten
Der Verfassungsschutz stuft die AfD auf Bundesebene als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Er sieht Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, völkische Zielvorstellungen, Fremden- und Muslimfeindlichkeit. Ob dies das Bundesverfassungsgericht in einem Verfahren teilen würde, ist umstritten.
Die Karlsruher Richter würden die Einschätzung des Verfassungsschutzes nicht einfach übernehmen, sagt etwa Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts: "Das Gericht ist nicht daran gebunden. Es wird sehr eingehend prüfen müssen, ob die Voraussetzungen eines aggressiv-kämpferischen Verhaltens gegen Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorliegen."
Verhalten der AfD ist entscheidend
Ein solches Verhalten, das darauf zielt, die verfassungsgemäße Ordnung des Landes zu beseitigen, sei Kernkriterium für ein mögliches Verbot. Die schiere Aussage der Kampagne, die AfD verstoße quasi permanent gegen die Menschenwürde, überzeugt Papier nicht.
"Der allgemeine Hinweis auf menschenverachtende Politik oder eine menschenverachtende Ausländerpolitik würde mir eben noch nicht reichen um diesen Vorwurf des gezielten Angriffs gegen die Menschenwürde anderer Personen zu rechtfertigen." Er rät zu einem vorsichtigen Umgang mit dem "scharfen Schwert" des Parteiverbots.
Verfassungsschutz soll Material sammeln
Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht an der Business & Law School in Berlin sagt, erst einmal müsse weiteres Material über die AfD gesammelt werden. Der Verfassungsschutz solle zusammentragen, "was die AfD so verbreitet, ihre Anhänger verbreiten, ihre Parteimitglieder verbreiten, wie sie sich in der Öffentlichkeit geben, welche Programmatik sie auch offiziell vertreten".
Erst dann könne man seriös einschätzen, ob ein Verbotsverfahren realistische Aussichten auf Erfolg habe. "Das muss insgesamt ein Bild ergeben, dass es sich nicht nur um einzelne Personen handelt, die ausschlagen. Sondern, dass die Partei insgesamt nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht", so Thiele.
Dies sei derzeit aber einfach noch schwierig einzuschätzen. Das sehen viele Verfassungsrechtler ähnlich. Für eine juristische Bewertung sei zudem entscheidend, welches Material dem Verfassungsschutz genau vorliegt. Dies wiederum aber sei nicht bekannt.
Warnung vor Schnellschuss
Es gibt aber auch Stimmen, die einem Verbotsverfahren auf dem Stand der öffentlich zugänglichen Informationen gute Chancen einräumen. Kürzlich war das Deutsche Institut für Menschenrechte in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die AfD "in ihrer Gefährlichkeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung mittlerweile einen Grad erreicht, dass sie gemäß Artikel 21 Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden könnte".
ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam hingegen teilt die Ansicht, dass Stand heute die Aussichten eines Verfahrens nur schwer kalkulierbar sind. Er verweist auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, nach dem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative weiter als Verdachtsfall behandeln darf. "Konkrete Folge des Gerichtsverfahrens in Münster ist ja, dass der Verfassungsschutz die AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf. Sodass die Materialsammlung weitergehen darf, die man dann immer wieder neu bewerten kann."
Staatsrechtler Thiele warnt die Befürworter eines Verbots vor vorschnellen Schlüssen: "Es ist auch so, dass ein Verbotsverfahren ja juristisch scheitern kann. Und dann hätte man den Erfolg, dass man die Partei quasi schwarz auf weiß als verfassungskonform ansehen muss."
Übliches Kampagnen-Instrumentarium
Ulrich Schneider, Mitinitiator der Kampagne, ist sich hingegen sicher, dass die Partei verboten werden müsse - eben wegen der aus seiner Sicht ständigen Verstöße gegen die Menschenwürde. Er setzt auf Mobilisierung in den kommenden Wochen: "Es wird das ganze übliche Instrumentarium einer guten Kampagne eingesetzt werden. Sprich: an die breite Öffentlichkeit gehen, in den sozialen Netzwerken tätig werden, aber natürlich auch massiv Lobbyarbeit gegenüber Parlamentarierinnen und Parlamentariern und gegenüber den Staatsorganen." Die AfD gab keinen Kommentar zur Kampagne ab.