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FAQ

Streit um Flüchtlingspolitik Hat die AfD-Klage Aussicht auf Erfolg?

Stand: 18.05.2018 17:36 Uhr

Die AfD will vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung klagen. Doch zunächstmal muss die Klage überhaupt zugelassen werden. tagesschau.de mit Fragen und Antworten.

Von Sandra Stalinski, ARD-aktuell

Was ist eine Organklage?

Streiten sich oberste Bundesorgane über ihre Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz, können sie das Bundesverfassungsgericht anrufen. Antragssteller können die obersten Bundesorgane sein, wie zum Beispiel der Bundespräsident, aber auch die Bundesversammlung, der Bundeskanzler oder die Bundesminister.

Auch die Fraktionen können in Karlsruhe nicht nur eigene, innerparlamentarische Rechte geltend machen, sondern auch die verfassungsmäßigen Rechte des Bundestages. Und zwar auch gegen den Willen der parlamentarischen Mehrheit. Genau das versucht jetzt die AfD: Sie macht als Fraktion eine Verletzung der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages geltend. Antragsgegner ist die Bundesregierung. Ihrer Ansicht nach hätte diese den Bundestag bei der Entscheidung im Rahmen der Einwanderungspolitik beteiligen müssen.

Warum will die AfD die Bundesregierung verklagen?

Die AfD ist der Ansicht, dass die Bundesregierung, in Person von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Mitwirkungsrechte des Bundestages verletzt hat, indem sie im Herbst 2015 quasi eine Grenzöffnung zu Österreich entschied. Daraufhin kamen in kurzer Zeit Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland. Damit habe die Bundesregierung sich über geltendes Recht hinweggesetzt - sagt die AfD.

Für eine so weitreichende Entscheidung, die auch heute noch anhalte, so die Argumentation der Partei, hätte der Gesetzgeber, also der Bundestag mit einbezogen werden müssen beziehungsweise müsste auch die gängige Praxis billigen.

Es geht bei dem Klageantrag formal aber nicht um die Frage, ob die Bundesregierung damals Recht gebrochen hat, sondern darum, ob sie die Rechte des Bundestages bei ihrer Entscheidung verletzt hat.

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Zunächst gibt es eine formale Hürde für die AfD-Fraktion. Die Entscheidung der Bundesregierung stammt aus dem Jahr 2015, zu diesem Zeitpunkt war die AfD noch gar nicht im Bundestag vertreten. Die Frage ist also zunächst einmal, ob die AfD-Fraktion stellvertretend für den gesamten Bundestag eine Rechtsverletzung geltend machen kann, obwohl sie damals noch gar nicht im Parlament war.

"Es wird spannend werden, wie das Bundesverfassungsgericht mit diesem prozessualen Problem umgeht", sagt der Verfassungsrechtler Michael Brenner von der Uni Jena.

Die Klage könnte also abgelehnt werden?

Ja. Es könnte passieren, dass die Klage aufgrund dieses formalen Arguments gar nicht erst zugelassen wird, so Brenner. Die AfD argumentiert allerdings, dass die Grenzöffnung ja nach wie vor anhalte. Spätestens seit dem 24. Oktober 2017, der konstituierenden Sitzung des Bundestages, sei die AfD also berechtigt zu einer solchen Klage.

"Es ist schwer einzuschätzen, wie das Bundesverfassungsgericht sich hier verhält", sagt Brenner. Es sei durchaus möglich, dass es der Auffassung der AfD folgt und die Klage zulässt. Ein gewichtiges Argument dagegen ist aus seiner Sicht aber, dass "das Hauptereignis um das es hier geht, im Jahr 2015 liegt."

Bei Zulassung der Klage: Hat die AfD inhaltlich recht?

Auch das ist schwer einzuschätzen. Inhaltlich läuft es auf die Frage hinaus, wer ist zuständig für solche weitreichenden Entscheidungen, die Exekutive (Bundesregierung) oder die Legislative (Bundestag)?

Hier geht es im Kern um das sogenannte Wesentlichkeitsprinzip. In der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht immer gesagt, wesentliche Entscheidungen bedürfen der Billigung des Parlaments. Beispielsweise wenn der Staat wesentlich in Grundrechte eingreift, muss der Gesetzgeber zustimmen. Ein anderes Beispiel wäre, wenn eine Entscheidung wesentliche Konsequenzen für das Gemeinwesen hat. Und genau darauf hebt die AfD in ihrer Klage ab.

Kriterien für diese "Wesentlichkeit" können unter anderem Langzeitwirkungen einer Regelung, gravierende finanzielle Auswirkungen und Auswirkungen auf das Gemeinwesen sein. All das führt die AfD in ihrer Argumentation an.

Andererseits: Nach der Entscheidung der Bundeskanzlerin im Herbst 2015 gab es eine ganze Reihe von Maßnahmengesetzen, mit denen der Gesetzgeber auf den Zuzug der Flüchtlinge reagiert hat. "Man könnte also auch argumentieren: Der Bundestag hat durch diesen Gesetzgebungsprozess zumindest im Nachhinein die Entscheidung der Bundesregierung akzeptiert und feinjustiert", sagt Brenner von der Uni Jena.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Klageantrag liegt derzeit beim Bundesverfassungsgericht und muss der Bundesregierung (hier Antragsgegerin beziehungsweise Beklagte) zunächst zugestellt werden. Dann muss die Bundesregierung dazu Stellung nehmen und dann wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob es die Klage zulässt und es zur Verhandlung kommt. Wie lange das dauert, ist ungewiss.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 18. Mai 2018 um 14:00 Uhr.