Desinformation über Wahlbetrug Begrenzte Wirkung
Die Verbreitung von Desinformation über angeblichen Wahlbetrug begrenzt sich einer Analyse zufolge vor allem auf rechtsradikale und verschwörungsideologische Kreise. In diesen Milieus könnten sich aber Demokratieskepsis und -feindlichkeit verfestigen.
Nach der Bundestagswahl werten Fachleute und Institute die Verbreitung von Desinformation aus. So gab es bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin tatsächlich schwere Pannen, die derzeit öffentlich aufgearbeitet werden - aber rund um die Wahlen kursierten auch unbelegte Gerüchte und Verschwörungslegenden über systematischen Wahlbetrug.
Das Institut für strategischen Dialog (ISD) analysiert seit Jahren die Verbreitung und Wirkung von Desinformation. In einer aktuellen Untersuchung stellt das Institut fest, dass verschiedene Narrative und Lügen rund um die Wahl verbreitet wurden.
In dem Bericht betonen die Fachleute, die US-Präsidentschaftswahl 2020 habe gezeigt, wie schädlich Falsch- und Desinformationen über die Integrität demokratischer Wahlen für das gesamtgesellschaftliche Vertrauen in demokratische Prozesse sein können. Es sei daher wichtig, dass Europa gegenüber ähnlichen Trends wachsam bleibe, auch wenn diese nicht das gleiche Ausmaß erreichen.
Insgesamt habe sich die Online-Community in Deutschland widerstandsfähig gegenüber der Delegitimierung der Wahlen und ihrer Ergebnisse gezeigt - und zwar sowohl auf Bundesebene, wie auch auf Landes- oder lokaler Ebene. Im Unterschied zu den USA beschränke sich die offene Online-Verbreitung von Zweifel am Wahlergebnis in Deutschland auf verschwörungsideologische und rechtsextreme Kreise sowie Gruppen aus der AfD-Anhängerschaft, heißt es in dem Bericht.
Höheres Vertrauen in Medien
Mehrere strukturelle Faktoren wie ein höheres Vertrauen in Medien sowie ein Wahl- und Parteiensystem, das weniger anfällig für Polarisierung sei, dürften dazu beigetragen haben, meinen die Fachleute. Es seien aber weitere Untersuchungen erforderlich, um besser zu verstehen, inwiefern die Einstellung der breiten Bevölkerung zum Wahlprozess beeinflusst werde.
Die Analysten verweisen darauf, dass auch über den Wahltag hinaus verschiedene Erzählungen miteinander verknüpft würden - so die von einem angeblichen Wahlbetrug mit dem Narrativ der "Corona-Diktatur", antisemitischen Verschwörungserzählungen und einem generellen Misstrauen gegen etablierte Medien sowie politische Institutionen.
Warnung vor Demokratiefeindlichkeit
Obwohl die Desinformation rund um die Integrität der Bundestagswahl größtenteils in den Gemeinschaften der AfD-Anhänger und rechtsextremen Online-Gruppen verblieben seien - und daher keine weitreichenden direkten Auswirkungen auf die allgemeine Einstellung zum Wahlprozess in Deutschland hätten - könne ihre wiederholte Verbreitung durchaus eine langfristige Wirkung zeigen, warnen die Fachleute. So könnten sich in diesen Kreisen Demokratieskepsis und -feindlichkeit verfestigen.
Das ISD hat mehrere Untersuchungen zu Desinformation und Hass-Inhalten in Deutschland vorgelegt, so beispielsweise zu digitaler Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf, zu dem "Geschäft mit dem Hass - Wie Online-Bezahldienstleister von der rechtsextremen Szene genutzt werden" oder auch einen Hintergrundbericht für das Projekt "Radikalisierung in rechtsextremen Onlinesubkulturen entgegentreten". Auf Englisch liefert das ISD zudem Analysen über islamistische Terrorgruppen wie den "Islamischen Staat".