Trumps Kritik an WHO Unpräzise, aber nicht unberechtigt
Donald Trump wettert mitten in der Corona-Krise gegen die WHO und droht, ihr die Gelder zu streichen. Dabei hat der Präsident in einigen Kritikpunkten nicht ganz unrecht.
US-Präsident Donald Trump fährt schwere Geschütze gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf: Bei Twitter und auf einer Pressekonferenz warf er der WHO vor, es im Kampf gegen das Coronavirus "richtig vermasselt" zu haben und drohte damit, die Finanzierung zu streichen.
Worauf stützt Trump seine Anschuldigungen und wie stichhaltig sind seine Argumente?
Gesundheitsnotstand Ende Januar
Der US-Präsident beschuldigte die Organisation, den Ernst der Lage lange heruntergespielt zu haben und zu "China-zentriert" zu agieren. Auch warf er der Organisation vor, falsche Empfehlungen für das Vorgehen gegen das Virus gegeben zu haben, die seine Regierung nicht befolgte. Konkret meinte er dabei den Einreisestopp für Reisende aus China, den Trump am 31. Januar verkündet hatte.
Tatsächlich hatte die WHO bereits am Vortag, dem 30. Januar, angesichts der Ausbreitung des Coronavirus nach Rücksprache mit Experten eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" ausgerufen. Diese Maßnahme kann sie ergreifen, wenn eine Seuche mehrere Länder bedroht und eine koordinierte internationale Antwort erforderlich ist. Zu diesem Zeitpunkt meldete China fast 10.000 Infektionen und mehr als 200 Todesfälle, hinzu kamen mehr als 100 Infektionen in weiteren 20 Ländern. Bei einer Notlage sind die WHO-Mitglieder verpflichtet, ihre Maßnahmen zu koordinieren.
Verbunden mit der Erklärung einer Notlage sind daher Empfehlungen, wie Länder sich schützen und eine Ausbreitung des Virus verhindern können. Dabei schrieb die WHO jedoch explizit, dass sie anhand der vorliegenden Informationen keine Reisebeschränkungen empfehle. Diese Position vertrat sie auch noch einen Monat später, am 29. Februar, als zahlreiche Länder - darunter auch Deutschland - bereits Auflagen für Einreisende erließen.
Anderweitige Kritik
Vor dem Hintergrund des ausgerufenen Gesundheitsnotstands erscheint Trumps Anschuldigung, die WHO habe die Lage heruntergespielt, überzogen. Allerdings wurde die Organisation tatsächlich auch von anderen wiederholt dafür kritisiert, zu spät reagiert und bei der Einschätzung der Lage zu sehr den chinesischen Angaben vertraut zu haben, obwohl Experten Zweifel daran äußerten.
Während WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus China für seinen Umgang mit der Ausbreitung des Virus lobte, erhob etwa der australische Wissenschaftler John MacKenzie, der zum die WHO in der Corona-Krise beratenden Expertengremium gehört, Anschuldigungen gegen China. In einem Interview mit der "Financial Times" von Anfang Februar warf er dem Land vor, die Infiziertenzahlen vertuscht zu haben, indem es sie zu spät und zu langsam gemeldet hätte. Der WHO-Direktor gab daraufhin öffentlich zu, nicht sagen zu können, wie belastbar die chinesischen Angaben tatsächlich seien: "Ich weiß nicht, ob sie etwas verheimlicht haben oder nicht."
In einer Online-Petition fordern mittlerweile 750.000 Menschen den Rücktritt von WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Zu langsam und zu China-hörig?
Eine am 31. Januar gestartete Onlinepetition fordert gar den Rücktritt von Ghebreyesus - da er sich geweigert habe, den Gesundheitsnotstand bereits eine Woche früher auszurufen. In dieser Woche sei die Zahl der Infizierten um mehr als das Zehnfache gestiegen: "Ein Teil davon ist darauf zurückzuführen, dass Tedros Adhanom Ghebreyesus das Coronavirus unterschätzt hat", schreibt der Initiator. Inzwischen haben knapp 750.000 Menschen die Petition unterschrieben.
Die WHO selbst wies Trumps Anschuldigung mittlerweile zurück, ihr Vorgehen sei "China-zentriert" gewesen. Bruce Aylward, Chef-Berater des WHO-Direktors, verteidigte die enge Zusammenarbeit mit China: "Es war wichtig, zu Beginn des Ausbruchs Zugang zu dem Land und zu allen wichtigen Informationen bekommen zu haben", sagte Aylward. Das würde man so in jedem von der Pandemie stark getroffenen Land machen und sei nicht China-spezifisch.
USA der größte WHO-Geldgeber
Die USA sind der Größte WHO-Geldgeber - im Zeitraum 2018/19 kamen sie für knapp 15 Prozent des Budgets auf. Sollte Trump seine Drohung wahr machen und die Gelder einfrieren, würde das die Organisation schwer treffen. "Wir sind noch immer in der akuten Phase der Pandemie, daher ist jetzt nicht die Zeit, die Finanzierung zu verringern", sagte daher der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge.