"Klimanotstand" Keine Parallele zur Notverordnung 1933
Sollen mit dem "Klimanotstand" demokratische Rechte außer Kraft gesetzt werden? Ein CSU-Politiker warnt davor und verweist auf die Notverordnung von 1933. Doch der "Klimanotstand" ist rechtlich gar nicht bindend.
Ein EU-Abgeordneter der CSU hat unter Hinweis auf die deutsche Notstandsverordnung von 1933 die Ausrufung des Klimanotstands in Europa scharf kritisiert. "Wer heute den Klimanotstand ausruft, fordert nichts anderes als Entscheidungen ohne demokratische Legitimation und zielt darauf ab, demokratische Rechte außer Kraft zu setzen", sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Er fügte hinzu: "Entweder diese Menschen wissen nicht, wovon sie sprechen, oder sie empfinden es als legitim, den demokratischen Prozess auszuschalten. Beides ist zutiefst erschreckend, gerade vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte und dem Jahr 1933."
Der CDU-Abgeordnete Peter Liese schrieb auf Twitter, man wolle "konkrete Aktion gegen den Klimawandel und keine falschen Begriffe. Der Begriff Notstand wurde von den Nazis benutzt, um Demokratie und Menschenrechte die Pressefreiheit abzuschaffen. Bei aller Wichtigkeit des Klimaschutzes darf das niemals wieder geschehen."
Zuvor hatte das Europaparlament mit einer Mehrheit von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken den "Klimanotstand" für Europa ausgerufen. Die Resolution ist nicht rechtlich bindend, sondern ein symbolischer Akt, der aber Druck für konkrete Gesetzgebung aufbauen soll. Ein Änderungsantrag, der auf Deutsch die Formulierung "Klima-Dringlichkeit" vorsah, fand keine Mehrheit.
Keine einheitliche Definition
Eine einheitliche Definition für den "Notstand" existiert nicht. Den Vereinten Nationen zufolge beschreibt der "Klimanotstand" eine Lage, die besondere und schnelle Lösungen braucht. Das Bundesumweltministerium betonte: "Einen Klimanotstand auszurufen hat vor allem symbolische Wirkung und soll zeigen, dass eine Kommune oder eine Regierung den Klimawandel ernst nimmt und Maßnahmen für den Klimaschutz einleitet."
Bislang haben nach Angaben des EU-Parlaments mehr als 1000 Verwaltungseinheiten weltweit - Staaten, Städte und Gemeinden - wegen der Folgen des Klimawandels den Notstand ausgerufen und damit die Eindämmung der Erderwärmung zur Priorität erklärt.
Im Englischen ist vom "Climate Emergency" die Rede, dieser Begriff wurde von Oxford Dictionaries zum Wort des Jahres 2019 erklärt. Damit werde eine Situation beschrieben, in der dringende Maßnahmen erforderlich seien, um den Klimawandel zu reduzieren oder aufzuhalten und daraus resultierende potenziell irreversible Umweltschäden zu vermeiden.
Hitlers Macht gefestigt
Während der "Klimanotstand" rechtlich nicht bindend ist, sondern dem Klimaschutz besondere Priorität bei demokratischen Entscheidungen verleihen soll, waren mit der Notverordnung vom Februar 1933 unmittelbar Grundrechte eingeschränkt und die Macht des damals neu eingesetzten Reichskanzlers Adolf Hitler gefestigt worden. Die Verordnung war kurz nach dem Reichstagsbrand verabschiedet worden, in der Folge wurden Tausende Menschen verhaftet.
Die Verordnung beschränkte das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit und das Vereins- sowie Versammlungsrecht. Sie griff zudem in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ein und erleichterte Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen. Die Verordnung war verfassungsrechtlich höchst umstritten und eine zentrale Voraussetzung für die Errichtung der totalitären NS-Diktatur. Von solchen Konsequenzen kann beim nun beschlossenen "Klimanotstand" keine Rede sein. Auch über weitere Maßnahmen in der EU entscheiden Parlamente, die demokratisch legitimiert und an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden sind.