Attila Hildmann posiert bei einer Kundgebung mit einer Fahne des Deutschen Reiches. Archivbild
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Maßnahme gegen Hetze Hildmanns Reichweite stark begrenzt

Stand: 09.06.2021 12:50 Uhr

Über den Anbieter Telegram erreichte der Rechtsextremist Attila Hildmann mehr als 100.000 Abonnenten. Nun ist seine Reichweite stark begrenzt worden. Auch Facebook kündigte neue Maßnahmen gegen Hass-Inhalte an.

Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder

Attila Hildmann ist berüchtigt für seine Hass-Ausbrüche: Mit antisemitischer Hetze und offenen Gewaltandrohungen sorgte er immer wieder für Aufsehen. Gegen Hildmann liegt ein Haftbefehl vor; derzeit soll er sich im Ausland aufhalten.

Doch über den Messenger-Dienst Telegram konnte Hildmann seine Anhängerschaft weiter mit radikalen Inhalten bedienen und Drohungen verbreiten. Damit ist nun weitestgehend Schluss: Sein Telegram-Kanal mit mehr als 100.000 Abonnenten ist über viele Anwendungen und Geräte nicht mehr erreichbar.

Atilla Hildmann Telegram Kanal Screenshot

Der Kanal von Hildmann wird nicht mehr angezeigt.

Was genau hinter dieser Sperrung steckt, ist bislang unklar. So scheint der Kanal zwar noch auf Telegram zu existieren, doch offenbar haben Apple und Google den Zugang gesperrt, spekulieren verschiedene Medien. So heißt es beispielsweise in der Telegram-App auf Apple-Geräten, der Kanal könne nicht angezeigt werden.

Google dementiert

Auf Anfrage dementierte ein Google-Sprecher jedoch, dass das Unternehmen konkret eingegriffen hätte:

Vermutungen darüber, dass Google den Zugang zu einem persönlichen Kanal innerhalb der über Google Play bezogenen Telegram App gesperrt hätte, sind falsch. Ein derartiger Eingriff kann nicht von Google vorgenommen werden.

Apple gab keine Stellungnahme zu dem konkreten Fall ab, verwies aber auf die Richtlinien des App-Stores. Dort heißt es unter anderem, dass Apps mit rassistischen Inhalten nicht akzeptiert würden.

Telegram reagierte bislang nicht auf eine kurzfristige Anfrage. Mittlerweile sind "Ersatzkanäle" aufgetaucht, die von Hildmann sein sollen. Zumindest bei einem handelt es sich aber offenkundig um eine Fälschung.

Telegram gilt als ein Hotspot des Hasses, da hier selbst offene Gewaltandrohungen und schwerste Beleidigungen fast nie sanktioniert wurden. Allerdings hatten die Betreiber in den USA nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington auch Maßnahmen gegen militante Gruppen eingeleitet und nach eigenen Angaben Dutzende Kanäle blockiert. Auch im Fall Hildmann erscheint es unwahrscheinlich, dass Apple oder Google einzelne Kanäle blockieren könnten, sondern mutmaßlich geht dies auf Telegram selbst zurück.

Vom Netz auf die Straße

Das Vorgehen gegen Hass-Inhalte ist seit Jahren eine Art Katz-und-Maus-Spiel. Rechtsextreme Gruppen hatten zu Anfang des Jahrtausends noch Web-Seiten aufgebaut, die oft im Ausland angemeldet wurden, um sich gegen strafrechtliche Konsequenzen zu schützen. Doch die technische Infrastruktur war oft schlecht geschützt; Hacker-Angriffe, wachsender Ermittlungsdruck und eine geringe Reichweite erschwerten die Verbreitung der Propaganda.

Mit dem Siegeszug der sozialen Netzwerke setzten viele politische Fanatiker schnell auf Plattformen wie Facebook - um sich zu vernetzen und vor allem weit mehr Menschen zu erreichen. So lassen sich teilweise gewaltsame Proteste gegen Flüchtlinge ab 2014 auf Facebook-Gruppen zurückverfolgen, die sich als "Bürgerinitiativen" ausgaben.

Neue Maßnahmen bei Facebook

Facebook steht seit Jahren in der Kritik, weil der Online-Gigant nicht effektiv genug gegen Hass-Inhalte und Manipulationsversuche vorgehe. Nun kündigte Facebook neue Maßnahmen an: So schlägt das Netzwerk Nutzerinnen und Nutzern in Deutschland neuerdings keine politischen und neu gegründete Gruppen mehr vor. Zudem empfiehlt Facebook keine Gruppen mehr zum Thema Gesundheit oder entfernt Gruppen, "die wiederholt Falschinformationen verbreiten". Hintergrund dürfte hier die Flut von Desinformation zur Corona-Pandemie sein.

Wenn eine Gruppe anfange, gegen die "Gemeinschaftsstandards" zu verstoßen, werde ihre Empfehlung ebenfalls eingeschränkt. "Somit ist es weniger wahrscheinlich, dass User*innen sie entdecken", schreibt Facebook. Dies sei vergleichbar mit dem "Vorgehen im News Feed, wo wir qualitativ minderwertige Beiträge weiter unten anzeigen, damit weniger Menschen sie sehen". Facebooks Mechanismus schlägt Gruppen und Seiten vor, die zu den jeweiligen Nutzern passen sollen - und kann damit einen Einstieg in radikale Parallelwelten eröffnen.

Trump bleibt gesperrt

Facebook entschied außerdem, das Profil des früheren US-Präsidenten Donald Trump bis mindestens Januar 2023 gesperrt zu lassen. Nach der Erstürmung des US-Kapitols durch Trump-Anhänger am 6. Januar sperrte das Unternehmen seinen Zugang wegen Anstiftung zu Gewalt.

Auch Twitter hat das Konto von Trump suspendiert. Der wiederum begrüßte nun die Sperre von Twitter in Nigeria: "Mehr Länder sollten Twitter und Facebook verbannen, weil sie keine freie und offene Meinungsäußerung zulassen - alle Stimmen sollten gehört werden." Trump sagte weiter, vielleicht hätte er als Präsident die Netzwerke ebenfalls sperren sollen.

"Alternative" Plattformen keine Alternative

Als neue Heimat für gesperrte Nutzer werden oft kleine Dienste wie Parler genannt. Dass aber solche Projekte keinen gleichwertigen Ersatz darstellen, zeigt das Beispiel Trump selbst: Seit seiner Verbannung von Twitter schafft es der ehemalige US-Präsident kaum noch, seine Provokationen und oft bereits widerlegten Behauptungen global zu verbreiten.

Plattformen, die von politischen Aktivisten aufgebaut werden, sind zumeist auf die eigene Klientel begrenzt und erreichen so keine relevante Reichweite. Zudem haben solche Projekte oft mit Problemen zu kämpfen, weil Dienstleister die Zusammenarbeit beenden, da sie nicht mit der Verbreitung von Hass-Inhalten in Verbindung gebracht werden wollen. So musste auch Parler den Betrieb vorübergehend einstellen.

Bewährt haben sich kleinere Plattformen hingegen als geschützter Rückzugsraum für Aktivisten, um Strategien zu entwickeln und koordiniert auszuschwärmen - wie es beispielsweise im Bundestagswahlkampf 2017 zu beobachten war.

Hetze geht weiter

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen aber: Menschenverachtende Einstellungen und Hass verschwinden nicht durch Maßnahmen gegen entsprechende Inhalte in sozialen Netzwerken oder bei Messenger-Diensten. Sie begrenzen aber deren Verbreitung und somit mutmaßlich auch Wirkung. Zumeist werden solche Maßnahmen aber erst nach bestimmten Ereignissen ergriffen - beispielsweise Manipulationsversuchen bei Wahlen, Anschlägen oder dem Angriff auf das Kapitol.

Auch die Hass-Attacken auf Telegram gehen weiter, wie Recherchen zeigen. In Gruppen mit Namen wie "Unzensiert", die Zehntausende Mitglieder haben, ist von "jüdischen biologischen Waffen" zum "Völkermord an Weißen" die Rede. Das Problem der menschenverachtenden Hetze lässt sich nicht auf Knopfdruck lösen.