Polizisten kontrollieren am deutsch-dänischen Grenzübergang in Richtung Norden fahrende Fahrzeuge.
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Corona-Krise Zensur in Dänemark eingeführt?

Stand: 08.04.2020 13:29 Uhr

Im Netz wird behauptet, in Dänemark dürften keine Informationen zu Covid-19 mehr veröffentlicht werden, wenn sie nicht den Vorgaben der Regierung entsprechen. Hintergrund sei ein verschärftes Gesetz.

Von Patrick Gensing, ARD-aktuell

Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

Das dänische Parlament habe "ein neues Gesetz erlassen, das die Publikation von Informationen zu Covid-19, die nicht den Vorgaben der Regierung entsprechen, verbietet und die Löschung von Internetseiten sowie die Bestrafung und Inhaftierung von Autoren ermöglicht". Das schreibt die Seite "Swiss Propaganda Research", die für sich reklamiert, über Propaganda aufzuklären. Sie bezieht sich auf eine schwedische Seite, die wiederum einen dänischen Ernährungsberater und Autor zitiert.

Dieser Autor fragt in seinem Blog, ob der dänische Gesundheitsminister bei einem Treffen in den USA einer Pandemie-Gehirnwäsche ausgesetzt gewesen sei. Einer der Hintermänner des Treffens sei der "jüdische Superzionist" Michael Bloomberg gewesen. Zudem verdächtigt er eine "jüdische Terrororganisation", hinter einem Vergewaltigungsvorwurf gegen seine Person zu stehen. Außerdem verbreitet der Mann Verschwörungslegenden zu den Anschlägen vom 11. September 2001 und stellt diese nun in Verbindung mit einem angeblichen "Corona-Schwindel".

Schärfere Strafen beschlossen

Aber was ist der Hintergrund der Behauptungen zu der angeblichen Zensur? Tatsächlich beschloss das dänische Parlament Folketing am 2. April ein "Gesetz zur Änderung von Straf-, Rechtspflege- und Ausländergesetz". Rund 80 Prozent der Abgeordneten stimmten der Vorlage von Justizminister Nick Haekkerup zu.

Das Gesetz beinhaltet schärfere Strafen im Kontext mit Covid-19: So soll das Strafmaß dabei verdoppelt oder sogar vervierfacht werden. Dies bezieht sich vor allem auf Diebstahl oder Versuche, durch Betrug staatliche Hilfen gegen die Krisen zu erhalten. Die Höhe von zusätzlichen Geldbußen solle sich an den Summen orientieren, die Betrüger aus den Hilfspaketen beantragen.

Auch der Diebstahl von Daten und schwerwiegende Verstöße gegen die Steuer-, Zoll- und Subventionsgesetzgebung sollen härter bestraft werden, wenn es um Covid-19 geht. Verschärft wurde auch das Ausländergesetz, es sieht schärfere Strafen und schnellere Ausweisungen im Zusammenhang mit Corona vor.

Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen spricht auf einer Pressekonferenz.

Die Minderheitsregierung von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat das Gesetz mit großer Zustimmung umgesetzt.

Polizei kann Seiten sperren lassen

Die mögliche Sperrung von Internetseiten bezieht sich auf Delikte wie Urkundenfälschungen, Betrug oder dem Handel mit vermeintlichen Medikamenten gegen Covid-19 sowie "Wundermitteln" (Paragraf 189 des dänischen Strafgesetzes).

Zudem wurde ein Gesetz ergänzt, mit dem bereits Netzseiten gesperrt werden können, wenn sie zu Terrorismus oder Gewalt aufrufen oder betrügerische Absichten haben. Dazu gehören beispielsweise Fake-Shops. Die Polizei musste bislang die Sperrung solcher Seiten bei Gericht beantragen; nun kann sie zunächst direkt sperren lassen, muss diesen Schritt aber innerhalb von 24 Stunden bei Gericht prüfen lassen.

Vor allem gegen Betrug und Fake-Shops gerichtet

An keiner Stelle ist davon die Rede, dass Informationen gelöscht werden sollten, die gegen "Vorgaben" der Regierung verstoßen. Auch von einer Inhaftierung von Autoren ist nichts zu finden. Vielmehr soll sich das Gesetz offenkundig vor allem gegen Diebstahl von Desinfektionsmitteln, Betrügereien rund um Staatshilfen sowie Fake-Shops richten.

Dänische Medien hatten bereits Ende März berichtet, es seien verschiedene Online-Seiten aufgetaucht, die Gesichtsmasken angeboten hatten - aber die nach einer Bezahlung die Waren nicht liefern würden. Solche Shops gibt es auch im deutschsprachigen Raum. Zudem hatten Politiker gewarnt, dass Kriminelle versuchten, von den staatlichen Hilfen zu profitieren. Eine Sorge, die auch Experten in Deutschland geäußert hatten.

Allerdings gab es in Dänemark durchaus Kritik an dem Gesetz, das der Justizminister mit markigen Worten angekündigt hatte. Die linksliberale Partei "Radikale Linke" sowie Richter lehnten den Entwurf ab, da beispielsweise das Strafmaß bei Kleinkriminalität übertrieben sei.

Behauptung nicht belegt

Die Behauptung, das dänische Gesetz richte sich gegen Informationen über Covid-19, ist weder belegt noch lässt sich dies aus dem Gesetz herauslesen. Die Verschärfungen richten sich gegen Diebstahl, Betrügereien und Abzocke im Netz. Die Behauptung, Dänemark lasse nun Informationen löschen, basiert lediglich auf einer Meinung eines dänischen Ernährungsberaters, der Verschwörungslegenden im antisemitischen Duktus verbreitet.

Dessen Beiträge voller Gerüchte und unbelegten Behauptungen zur Corona-Pandemie sind übrigens alle noch online - was der Behauptung, genau solche Inhalte würden gelöscht, ebenfalls widerspricht.