Covid-19 Kinder deutlich weniger gefährdet
Die Frage nach dem Risiko durch Covid bei Kindern sorgt für heftige Debatten. Die CDU-Politikerin Prien wurde hart kritisiert, da sie darauf hinwies, dass nur wenige Kinder an Covid-19 sterben. Vorliegende Daten geben ihr recht.
Nach heftiger Kritik hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, ihren Twitter-Account deaktiviert. "Ich nehme mir einige Wochen Zeit, um darüber nachzudenken, ob und wie ich Twitter als Medium weiter zur Kommunikation nutze", begründete die CDU-Politikerin diesen Schritt.
Zuvor hatte ein Tweet der KMK-Präsidentin für heftige Kritik gesorgt. Eine Nutzerin schrieb beispielsweise: "Wir haben in den letzten 4 Wochen 17 tote Kinder gehabt. 17 - in VIER Wochen. Und es geht immer schneller. Bis Oktober 21 hatten wir 27 tote Kinder, seit Oktober 38. Also in 4,5 Monaten mehr als in 18 Monaten. Insgesamt sind 65 Kinder verstorben." Darauf antwortete Prien: "Bitte differenzieren: Kinder sterben. Das ist extrem tragisch. Aber sie sterben mit COVID_19 und nur extrem selten wegen COVID_19." Auf Priens Antwort folgten zahlreiche - teils beleidigende - Reaktionen.
Insgesamt 47 Todesfälle bei unter 20-Jährigen
Die Zahl der Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen werden genau beobachtet. Das RKI schrieb in seinem jüngsten Wochenbericht:
Die Todesfälle bei unter 20-Jährigen werden einzeln vom RKI geprüft und validiert, so dass es bei der Anzahl der Todesfälle in dieser Altersgruppe in den veröffentlichten Daten noch zu Veränderungen kommen kann. Bislang sind dem RKI 47 validierte COVID-19-Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 0 und 19 Jahre übermittelt worden. Bei 32 Fällen lagen Angaben zu bekannten Vorerkrankungen vor.
In den ersten drei Wochen des neuen Jahres wurden nach RKI-Angaben jeweils weniger als vier Todesfälle für männliche und weibliche unter 20-Jährige erfasst. Die Angabe "weniger als vier" wird aus Datenschutzgründen benutzt, damit können einer, zwei oder drei Fälle gemeint sein. Im RKI-Bericht wird für die Meldewoche zwei bis fünf ein Todesfall bei den Fünf- bis 17-Jährigen angegeben.
Die erwähnte Behauptung einer Twitter-Nutzerin, es habe in den vergangenen vier Wochen "17 tote Kinder" gegeben, basiert auf einer Rechnung mit ungeprüften Zahlen, die das RKI zu verschiedenen Zeitpunkten veröffentlicht hatte. Das Institut weist in der entsprechenden Statistik allerdings extra darauf hin, dass sich die jeweiligen Angaben noch verändern könnten, da sämtliche gemeldete Todesfälle bei den unter 20-Jährigen geprüft werden. Die bestätigten Zahlen werden mit einem Meldeverzug im Wochenbericht genannt.*
Viele Patienten mit Corona im Krankenhaus
Kinder und Jugendliche sind weiterhin deutlich seltener von schweren Verläufen betroffen als alle anderen Altersgruppen. Viele der erfassten Corona-Patienten sind zudem nicht wegen Covid-19 hospitalisiert. Anfragen bei Kliniken zeigte: Bis zu der Hälfte der als Corona-Patienten erfassten Personen ist nicht wegen Covid-19 im Krankenhaus, sondern das positive Testergebnis ist eine Nebendiagnose. Die Unschärfe bei den Krankenhauszahlen ist wegen der hohen Inzidenz größer geworden.
In den Kinderkliniken des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein beispielsweise sehe man derzeit "mehr Kinder mit als wegen Covid-19 in der stationären Versorgung", teilte ein Sprecher mit. Die Zahl der wegen Covid-19 behandelten Kinder - nicht die der zufällig positiv Getesteten - schwanke etwa zwischen null und fünf pro Woche. "Wirklich kritische Verläufe hatten wir nur vereinzelt", so der Sprecher. Allerdings seien Kinder und Jugendliche mit vorbestehenden anderen Erkrankungen bei Covid-19-Infektionen zum Teil "sehr stark betroffen und intensivpflichtig" geworden. Fälle mit dem multisystemischen Entzündungssyndrom PIMS seien ebenfalls aufgetreten, sagte der Sprecher: "Diese sind durchaus sehr ernst zu nehmen."
"Leichte Zunahme"
Oberarzt Dr. Johannes Ehler von der interdisziplinären pädiatrischen Intensivstation der Universitätsmedizin Rostock sagte: "Im Verlauf der Covid-Pandemie ist mit den Delta- und Omikron-Varianten eine leichte Zunahme an erkrankten und auch hospitalisierten Kindern zu verzeichnen gewesen. Schwere Verläufe von Covid-19 sind im Vergleich zu 2020 etwas häufiger registriert worden. Diese Fälle sind in unserer Klinik mit einem guten Behandlungsergebnis verbunden gewesen, auch wenn teilweise Rehabilitationsmaßnahmen im Anschluss an die stationäre Behandlung notwendig waren."
Relevant sei allerdings das PIMS-Syndrom: "Dieses Syndrom wurde in den letzten Monaten in unserer Klinik häufiger als in den letzten zwei Jahren beobachtet und bedurfte intensivmedizinischer Behandlung der pädiatrischen Patienten. Auch hier wurden bisher jedoch gute Behandlungsergebnisse erzielt. Todesfälle traten nicht auf."
Prof. Dr. Jun Oh, Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), teilte mit, die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit Covid-19, die stationär im Kinder-UKE behandelt werden müssten, sei "weiterhin sehr gering". Die Anzahl der an Covid-19 erkrankten Kinder habe sich in den vergangenen zwei Wochen stabilisiert und steige im Moment nicht an. Kleine Kinder würden teilweise zur Beobachtung für 24 bis 48 Stunden stationär aufgenommen.
"Bislang keine Hinweise auf schwerere Verläufe"
Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) sammeln bundesweit Daten aus den Kinderkliniken - und kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass viele der als Corona-Fälle erfassten Hospitalisierungen nicht wegen Covid-19-Erkrankungen geschehen. In der Zeit vom 24. Januar bis 13. Februar 2022 wurde demnach mehr als ein Drittel der Aufnahmen aufgrund anderer Erkrankungen erfasst, obwohl diese offiziell als Corona-Fälle gezählt werden. Diese Daten basieren auf Meldungen aus mehr als 80 Kliniken und werden fortlaufend aktualisiert.
PD Dr. Henriette Rudolph, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main und stellvertretende DGPI-Vorsitzende, teilte mit, "aktuell bestehen noch keine Hinweise, dass Omikron zu schwereren Verläufen im Kindesalter führt als die vorher zirkulierenden Varianten, wobei man betonen muss, dass wir uns noch ein genaueres Bild machen müssen". Ausgenommen seien zudem weiterhin "Kinder mit Risikoerkrankungen, die durchaus einen schwereren Verlauf durchmachen könnten".
Prof. Dr. Jun Oh vom UKE meint, das Risiko für Kinder und Jugendliche, an Covid-19 zu erkranken, sei deutlich niedriger als bei Erwachsenen: "Das Risiko, dass eine Infektion mit der Omikron-Variante zu einem schweren Krankheitsverlauf führt, ist weniger hoch als bei einer Infektion mit der Delta-Variante. Trotzdem kann es auch bei Kindern und Jugendlichen zu schweren Verläufen kommen."
"Gefährdungslage weiter abgesunken"
Der Arzt Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), erklärte auf Anfrage von tagesschau.de, es gebe nach zwei Jahren Pandemie etwa 41 Todesfälle von unter 18-Jährigen - im Vergleich zu etwa 120.000 Erwachsenen, die in Deutschland gestorben sind. Es gebe etwa "688 Kinder mit PIMS, von denen nahezu alle wieder gesund geworden sind, und es gibt eine nicht sicher bezifferbare Anzahl an Long-Covid-Fällen, die je nach Studie im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen und in der Regel nicht länger als vier Wochen bestehen", so Maske.
Insbesondere mit der Omikron-Variante sei "die Gefährdungslage für Kinder und Jugendliche noch weiter abgesunken", betont Maske. "Wirklich schwere Verläufe sind, ein Glück, Raritäten. Für Kinder und Jugendliche - aber nicht für Erwachsene - kann man Coronainfektionen mit anderen Infektionen der oberen Luftwege nahezu gleichwertig betrachten."
Karen Matiszick, Sprecherin der Gesundheit Nord GmbH in Bremen, sagte: "Die Gefahr für Kinder und Jugendliche, schwer an Covid-19 zu erkranken ist nach wie vor gering - vielleicht bei Omikron noch niedriger. Ob die Zahl der PIMS-Patienten steigen wird, kann man nicht vorhersagen; wir rechnen allerdings wegen der häufigeren Inzidenzen der Virusinfektion in den nächsten Wochen damit. Das Phänomen 'Long-Covid' können wir nicht gut beurteilen, weil wir nur sporadisch diese Diagnose gestellt haben."
*Hinweis der Redaktion: Hier wurde die Angabe ergänzt, wie die Zahl von 17 zustande gekommen ist, und dass es sich um eine Rechnung mit unbestätigten Zahlen handelt.