Kriminalität in Berlin Wo angeblich die Autonomen herrschen
Ein Journalist behauptet in der ARD, in Berlin würden sich Polizisten nicht mehr in bestimmte Viertel trauen, weil dort linksextreme Autonome die Straßen beherrschten. Wo das sein soll, bleibt unklar.
Können sich Polizisten nicht mehr in bestimmte Teile Berlins trauen? Diesen Eindruck vermittelte der "Cicero"-Journalist Alexander Kissler im ARD-Presseclub am Sonntag. Es gebe bestimmte Viertel in der Hauptstadt, so Kissler, "wo sich die Polizei gar nicht mehr hineintraut, weil dort die sogenannten Autonomen das Straßenrecht ausführen". Beispiele nannte er nicht.
Zuletzt hatte es mehrfach Angriffe auf Polizisten sowie größere Polizeieinsätze in der Rigaer Straße in Friedrichshain gegeben. Aus einer Antwort des Senats auf eine CDU-Anfrage geht hervor, dass es 2019 insgesamt 13 Steinwürfe auf Polizei-Kraftfahrzeuge in dieser Straße gegeben habe. Auch im aktuellen Jahr kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen in dieser Gegend.
Demonstration für den Erhalt von Wohnprojekten in der Rigaer Straße in Berlin
Gewalt geht laut PKS zurück
Statistiken zeigen insgesamt aber keine steigenden Zahlen über Angriffe gegen Polizisten. In der Polizeilichen Kriminalstatistik heißt es für 2019 wörtlich, die Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte und -beamtinnen sei zurückgegangen. Bei den insgesamt 6656 erfassten Fällen gab es 1447 verletzte, sieben davon schwer.
Den größten Teil der erfassten Fällen machen sogenannte Widerstandsdelikte aus. Wie viele von diesen Fällen tatsächlich zu einer rechtskräftigen Verurteilung führten, geht aus der Statistik nicht hervor.
Weniger Fälle
Die Statistik der politisch motivierten Kriminalität (PMK) zeigt ebenfalls keinen Anstieg der Gewaltdelikte. Die Zahl sank im Bereich PMK links im Jahr 2019 um 33 auf 257 Fälle. Mehr als die Hälfte der Fälle standen im Zusammenhang mit Demonstrationen, 2018 lag der Anteil sogar bei fast 75 Prozent der Fälle.
Zudem erfasst die Statistik "Polizeibedienstete sowie deren Einsatzmittel und Polizeigebäude" als "Angriffsziel der linken Szene". In diesem Kontext seien 308 Fälle erfasst worden, im Vorjahr waren es demnach 324. Wie sich die Fälle lokal verteilen, welche Ziele wie oft betroffen waren und welche Schäden es gab, wird nicht ausgewiesen.
Mehr Präsenz an bestimmten Orten
Die Polizei Berlin erklärte auf Anfrage des ARD-faktenfinder zu der Behauptung, sie traue sich nicht mehr in bestimmte Viertel: Die Polizei Berlin erfasse für die gesamte Stadt Fallzahlen und werte diese statistisch aus. "Im Ergebnis ermitteln wir so Orte mit höherem Fallzahlenaufkommen und steuern Einsatzkräfte gezielt in diese Bereiche, um effizient die Kriminalität an diesen Orten bekämpfen zu können. An Art und Schwere der Delikte bemisst sich im Einzelfall die Einsatzkräftezahl. Diese Herangehensweise hat für das komplette Stadtgebiet Bestand."
Mit anderen Worten: Identifiziert die Polizei lokale Kriminalitätsschwerpunkte, zeigt sie mehr Präsenz - im Einzelfall mit mehr Einsatzkräften - und dies in der gesamten Stadt, also in allen Bezirken und Vierteln der Stadt.
Angebliche "Mordhauptstadt"
Immer wieder heißt es, Berlin versinke quasi in der Kriminalität. So sorgte Anfang des Jahres eine Statistik für Aufsehen, der zufolge Berlin eine vielfach höhere Mordrate aufweise als andere europäische Hauptstädte. Ein Blick auf die Statistik zeigte aber, dass für Berlin weit mehr Deliktfelder als Tötungsdelikte erfasst worden waren als für andere Städte. Mittlerweile wurde die Statistik korrigiert.
2018 gab es das Gerücht, in Berlin würden zehntausende Fälle einfach aus der Kriminalstatistik verschwinden, was allerdings nicht zutreffend ist. 2016 hatte die ungarische Regierung behauptet, in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten gebe es Gebiete, über die die Behörden wegen einer hohen Einwanderungsdichte wenig oder gar keine Kontrolle hätten.
Statistiken wurden zudem verzerrt, da beispielsweise beim islamistischen Anschlag auf den Breitscheidplatz zahlreiche Überlebende als vollendete Tötungsdelikte aufgeführt wurden.