Europawahl 2024
Nationalisten im EU-Wahlkampf "Wir sind die Rache der Rumänen!"
Ins neue EU-Parlament werden wohl erstmals auch Rechtspopulisten aus Rumänien einziehen. Sie profitieren von zunehmender innenpolitischer Unzufriedenheit - und könnten aus dem Stand bis zu 20 Prozent holen.
Über der AUR-Parteizentrale, in einem Wohnblock im Zentrum der rumänischen Hauptstadt Bukarest, hängen zwei riesige langgezogene Banner: eine Rumänienflagge und ein goldfarbenes Plakat mit dem Parteilogo und der Aufschrift "Familie, Nation, Glaube, Freiheit".
Die Farbe der Partei ist golden, denn das heißt "aur" auf Rumänisch - gleichzeitig steht es für "Alianta pentru Unirea Romanilor": "Allianz für die Vereinigung der Rumänen". Der Traum der 2019 gegründeten Partei ist eine Vereinigung Rumäniens mit der Republik Moldau. Das überwiegend rumänisch-sprachige Land habe einst zu Rumänien gehört und sei 1940 von der Sowjetunion einverleibt worden, so die Begründung der Partei.
In den Umfragen zur Europawahl liegt die AUR aktuell bei rund 17 Prozent und damit auf Platz zwei, hinter der Allianz der beiden großen rumänischen Regierungsparteien, PNL und PSD, die zusammen mit gut 45 Prozent der Stimmen rechnen können.
"Patriotismus und Souveränität"
Die AUR gilt als nationalistisch, rechtspopulistisch und christlich-orthodox religiös. Alin-Sorin Sandu nennt sie "einfach nur konservativ". Der 46-Jährige wurde 2020 überraschend einer von drei AUR-Bürgermeistern. Sandu wurde in der 7.000-Einwohnerstadt Amara, im Südosten des Landes, gewählt, als die AUR noch weitgehend unbekannt war.
Er sagt, es habe daran gelegen, dass ihn alle in Amara kennen, weil er und seine große Familie aus dieser Stadt stammen. Und er ticke so, wie die meisten Menschen hier. "Ich möchte betonen, dass die AUR nicht extremistisch ist, und wir sind auch nicht gegen die EU. Es geht um Patriotismus und Souveränität, darum, dass wir unsere rumänische Kultur innerhalb dieses diversen Europas erhalten", sagt Sandu.
Ärger auf Österreich
"Wir sind keine Partei! Wir sind die Verteidiger des Vaterlands! Wir sind die Rache der Rumänen an denjenigen, die seit 34 Jahren unser Land regieren und zerstören", so formulierte es AUR-Chef George Simion Mitte Mai bei einer Veranstaltung zum EU-Wahlkampf in Bukarest.
Simion zeigt sich gerne mit einer Donald-Trump-Kappe. Er sagt, dass er das Prinzip des ehemaligen US-Präsidenten auf Rumänien übertragen möchte, nach dem Motto "Romania first" - und fordert entsprechend weniger Macht für die EU.
Der AUR-Chef kritisiert, dass Rumänien von manchen anderen EU-Staaten wie ein Land zweiter Klasse behandelt werde. Dabei richtet sich sein Fokus besonders auf Österreich, das den vollen Schengen-Beitritt Rumäniens immer noch blockiert.
Auch die Begeisterung für die EU selbst hält sich in Grenzen. In einer Eurobarometer-Umfrage, im Auftrag des EU-Parlaments, gaben 50 Prozent der Rumänen an, die EU mit einem positiven Image zu verbinden. Das ist ein Wert leicht über dem EU-Durchschnitt.
Gefühl, dass Regierungsparteien unglaubwürdig sind
Seit 2021 wird Rumänien von zwei Parteien regiert, die sich zuvor feindlich gegenüberstanden. Die liberal-konservative PNL-Partei von Präsident Klaus Iohannis hatte es zunächst mit einer Reformkoalition versucht. Doch weil diese sich zerstritt, setzte man, in Zeiten von Coronakrise und Krieg gegen die Ukraine, dann doch lieber auf eine stabilere Koalition mit einer soliden Mehrheit.
Und so entstand eine Regierung mit der sozialdemokratischen PSD: der Partei, die aus den Postkommunisten hervorging und die selbst lange an der Macht gewesen war. Die PNL hatte der PSD in der Vergangenheit immer wieder Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen.
Bei vielen Rumänen entstand deshalb das Gefühl, dass die neue Regierung unglaubwürdig sei und dass PNL und PSD gemeinsam das System der Korruption weiterbetreiben würden. Es ist ein wichtiger Grund für das Erstarken der rechten AUR. Besonders populär ist die Partei bei jungen Männern mit niedrigem Bildungsniveau. In der Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen sehen die Umfragen zur Europawahl die AUR bei 36 Prozent.
Rassistische Aussagen
Dabei scheint es viele Wähler nicht zu stören, dass sich AUR-Politiker auch zu rassistischen Aussagen hinreißen lassen. So etwa am Ende einer Führung durch Amara. Stolz zeigt Bürgermeister Sandu, was in seiner Kleinstadt durch EU-Gelder gebaut wurde: eine Schule, ein Kindergarten, Sandstrände und Sanitäranlagen an zwei Badeseen. Amara ist ein Kurort mit jod- und schwefelhaltigem Heilschlamm.
Als zwei Männer aus Asien auffallen, die im Kur-Zentrum arbeiten, erklärt Sandu: "Es ist gut, dass diese Leute da sind, denn wir selbst haben zu wenige Arbeiter." Aber "ihr Blut" unterscheide sich von "rumänischem Blut" - und so werde im Laufe der Jahre die christlich-rumänische Tradition immer weiter verloren gehen.