Wahl in Großbritannien Labour gewinnt laut Prognose deutlich
Es ist eine herbe Niederlage für die britischen Konservativen: Bei der Unterhauswahl liegt die Labour-Partei laut BBC-Prognose mit 410 von 650 Sitzen deutlich vorne. Parteichef Starmer dürfte neuer Premier werden.
Die oppositionelle Labour-Partei von Keir Starmer hat die Unterhauswahl in Großbritannien und Nordirland laut einer Prognose der BBC klar gewonnen. Der 61-Jährige dürfte damit der Nachfolger von Premierminister Rishi Sunak werden, dessen konservative Tories eine schwere Niederlage erlitten.
Labour liegt den Angaben zufolge mit 410 Sitzen deutlich vor der Regierungspartei. Die Tories kommen demnach auf 144 Sitze - mehr als 200 weniger als bei der vorigen Wahl. Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, doch am Kernergebnis der Wahl gibt es keinen Zweifel: Die 14 Jahre währende Dominanz der konservativen Tories ist zu Ende.
Sunak gesteht Niederlage ein
Premier Sunak gestand die Niederlage der Tories ein und erklärte am frühen Morgen, er übernehme die Verantwortung für das schlechte Abschneiden. "Die Labour-Partei hat diese Parlamentswahl gewonnen, und ich habe Sir Keir Starmer angerufen, um ihm zu seinem Sieg zu gratulieren", sagte der Regierungschef. Die Briten hätten "ein ernüchterndes Urteil" gefällt.
Starmer hingegen versprach in seiner ersten Reaktion auf das Ergebnis Veränderungen im Land. "Die Menschen haben gesprochen, sie sind bereit für den Wandel", sagte er in seinem Wahlkreis in Nord-London. "Sie haben abgestimmt und es ist an der Zeit, dass wir liefern."
Starmer gewann auch seinen Wahlkreis Holborn and St Pancras deutlich. Allerdings verlor er im Vergleich zur vorigen Abstimmung 2019 rund 17 Prozentpunkte. Das lag vor allem an der überraschend hohen Zustimmung für einen unabhängigen Kandidaten, der sich deutlich gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen ausgesprochen hatte.
Liberaldemokraten und Rechtspopulisten legen zu
Nicht nur Labour konnte den Konservativen bei dieser Wahl Mandate abringen. Auch die Liberaldemokraten scheinen erhebliche Zugewinne auf Kosten der Tories verbuchen zu können. Sie kommen laut Prognose auf 58 Sitze - bisher waren es nur 11. Seine Partei sei auf Kurs zu ihrem besten Ergebnis in einem Jahrhundert, sagte Libdem-Chef Ed Davey.
Ebenfalls nach einer verheerenden Niederlage sieht es für die schottische Unabhängigkeitspartei SNP aus. Sie kann der Prognose zufolge nur acht Mandate erringen. Bei der vergangenen Wahl waren es noch 48 Sitze gewesen. Es sei "kein guter Abend" für die SNP, sagte die frühere schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge.
Zufrieden dürfte hingegen die rechtspopulistische Partei Reform UK von Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage sein. Sie kommt laut Prognose aus dem Stand auf vier Mandate. Farage hatte mit seiner überraschenden Kandidatur mutmaßlich erheblich zum schlechten Ergebnis für die Konservativen beigetragen, weil er Wähler am rechten Rand abspenstig machte.
Sunak konnte im Wahlkampf kaum aufholen
Überraschend ist das prognostizierte Ergebnis nicht: Umfragen sagten schon lange einen deutlichen Sieg der Sozialdemokraten voraus. Im Wahlkampf konnte Sunak, dessen Partei mit Pannen und einem Skandal um illegale Wetten zum Wahltermin zu kämpfen hatte, kaum aufholen.
Verantwortlich für den klaren Ausgang der Wahl ist nach Ansicht des renommierten Meinungsforschers John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow nicht in erster Linie Begeisterung für Labour, sondern Verdruss über die bisherige Regierungspartei. Sunak war bereits der dritte Regierungschef seiner Partei in der vergangenen Legislaturperiode, die von wirtschaftlicher Stagnation und stark steigenden Lebenshaltungskosten geprägt war.
Auftrag zur Regierungsbildung schon heute?
Labour-Chef Starmer hatte die Arbeiterpartei in den vergangenen Jahren wieder in die politische Mitte geführt, nachdem sie unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn weit nach links gerückt war. Zudem ging er entschieden gegen antisemitische Tendenzen in den eigenen Reihen vor.
Gleichzeitig blieb der bisherige Oppositionschef in vielen Bereichen eher vage, etwa zu den Plänen für eine mögliche Annäherung mit der Europäischen Union. Kommentatoren verglichen seine behutsame Art mit dem Tragen einer Porzellanvase aus der chinesischen Ming-Dynastie.
Der Regierungswechsel wird in Großbritannien rasch vollzogen. Sobald das amtliche Endergebnis feststeht, kommt es zur Machtübergabe. Schon im Laufe des heutigen Tages dürfte Starmer von König Charles III. mit der Regierungsbildung beauftragt werden und anschließend bei einer Rede in der Downing Street seine Vision für Großbritannien darlegen.