Von der Leyen vor EU-Parlament Viele Worte, keine Botschaft
Stundenlang warb von der Leyen bei Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen im Europaparlament um Zustimmung. Ihre Antworten blieben allerdings zu unverbindlich. Damit erweist sie Europa keinen Dienst.
Als "Ursula Unverbindlich" präsentierte sich Ursula von der Leyen bei Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen in Brüssel. Strebsam bemüht, sich in jedem Moment freundlich lächelnd und zugewandt zu präsentieren und es allen irgendwie ein bisschen recht zu machen.
Mindestlohn in Europa als Köder für die Sozialdemokraten, CO2-Steuer als Lockangebot an die Grünen und eine wichtige Position für Margrethe Vestager als Wink an die Liberalen - von der Leyen hatte für alle ein kleines Wahlgeschenk in der Tasche.
Doch ihre körpersprachlich so sorgsam kalkulierte Performance überzeugte nicht. In dem krampfhaften Versuch zu punkten erwähnte sie 1000 Details - und machte doch keinen Punkt. Viele Worte, keine Botschaft - keine einprägsame jedenfalls.
Keine originelle Idee, kein neuer Ansatz
Flüchtlinge im Mittelmeer müssten gerettet werden, klar. Irgendwie plädiert von der Leyen für eine neue Rettungsmission Sophia - aber gleichzeitig versteht sie, dass Italien nicht alle Geretteten aufnehmen will. Alles bleibt im Unverbindlichen. Keine neue Idee in der Flüchtlingspolitik, kein Ansatz, wie Asylverfahren an den Außengrenzen der EU beschleunigt und Herkunftsländer zur Rücknahme derer motiviert werden können, die keine Aussicht haben zu bleiben.
Auf klare Fragen gab es häufig nur ausweichend-unverbindliche Antworten. Würde sie im Fall ihrer Wahl an Frans Timmermans als erstem Stellvertreter und Gegenspieler der Visegrad-Staaten in Sachen Verletzung von EU-Grundwerten festhalten? Ja, eigentlich schon, aber wenn Timmermans ein anderes Portfolio will, dann kann er das selbstverständlich bekommen.
Über Orban kein böses Wort
Rechtstaatsverfahren gegen Ungarn: kein Kommentar. Ausschluss von Victor Orbans Fidesz aus der Europäischen Volkspartei: keine Aussage. Von der Leyen argumentierte vielsprachig, aber ohne Leidenschaft, brannte für nichts. Nur in zwei Punkten wurde sie konkret: Wenn die Briten über den 31. Oktober hinaus mehr Zeit brauchen, um den harten Brexit zu verhindern, dann sollen sie diese Zeit bekommen. Und am besten ist es aus der Sicht von der Leyens, wenn der Brexit gar nicht stattfindet.
Diese Binsenweisheiten reichen nicht aus. Mit ihrer "Ursula Unverbindlich"-Performance hat sich von der Leyen keinen Dienst erwiesen. Und der EU auch nicht. Denn wenn sie bei der Wahl des EU-Parlaments in der kommenden Woche durchfällt, geht das ganze Sondergipfel-Theater wieder los. Und dann kann es schneller einen harten Brexit geben als eine neue EU-Kommission.
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