US-Wahl 2024
Kandidat für Vizepräsidentenamt Warum Trump sich für Vance entschied
Die US-Amerikaner reiben sich die Augen: J.D. Vance als Trumps Kandidat für den Vizepräsidenten? Hatte Vance Trump nicht einst massiv beschimpft? Doch das ist lange her. Heute hat Vance für Trump viele Vorzüge.
Lautstark schlecht über Donald Trump zu reden, kann schon mal die Karriere bei den Republikanern kosten. Nicht bei J.D. Vance. Spätestens seit er 2021 beschloss, für den Senatssitz von Ohio zu kandidieren, drehte er sich öffentlich um 180 Grad - und gewann mit Trumps Segen die Vorwahl bei den Republikanern und dann den Senatssitz.
Und nun zieht er an seiner Seite als Kandidat für den Vizepräsidenten in den Wahlkampf. Trump habe ihn eben überzeugt, sagt er heute.
Selbst wenn Trump ihm noch etwas nachträgt, überstrahlen Vances Vorzüge doch alles. Und dass er mit Trump-Sohn Eric gut befreundet ist und wohl auch Tesla-Chef Elon Musk zu seinen Gunsten interveniert hat, könnte geholfen haben.
Vance ist der personifizierte "amerikanische Traum": Aus ärmlichen Verhältnissen, inklusive drogensüchtiger Mutter, über das Militär zur Elite-Uni, in die Finanzwelt und dann in die Politik - das gibt es bei den Republikanern nicht so oft. Und das lässt sich im Wahlkampf authentisch erzählen. Seine Autobiografie "Hillbilly Elegie" samt Verfilmung hat ihn in den ganzen USA bekannt gemacht.
Die "blauen Staaten" im Blick
Ohio, sein Heimatstaat, war früher mal eine Hochburg der Demokraten. Das Verschwinden der Industriejobs hat die weiße Arbeiterschicht in Scharen Trump zugetrieben, der versprach, die Industrie aus den Ausland zurückzuholen. Vance könnte helfen, auch die benachbarten "blauen" Staaten zu schleifen: Michigan und Pennsylvania haben 2020 mehrheitlich Joe Biden gewählt - wenn auch knapp.
Und dann sind da natürlich die ganz offensichtlichen Vorzüge: Vance ist halb so alt wie Trump. Er macht optisch was her - auch an der Seite seiner indisch-amerikanischen Frau, die er im Studium kennengelernt hat. Er kann "Trumps rotes Fleisch intellektuell einpacken", schreibt Axios.
Und womöglich könnten sich Trump und Vance im Wahlkampf die Rollen aufteilen: Trump, der Staatsmann, der nach knapp überstandenem Mordanschlag das Land zusammenführt, und Vance, der Scharfmacher, der den Wählerinnen und Wählern erzählt, worum es wirklich geht: "America first!"
Ein Schock in München
Was Deutschland und Europa mit einem Vizepräsidenten J.D. Vance erwartet, war im Januar bei der Münchner Sicherheitskonferenz zu sehen. Vance war einer der wenigen Republikaner, die sich überhaupt in München den kritischen Fragen stellten, das wurde ihm hoch angerechnet.
Aber was Vance sagte, schockierte die Europäer: Er glaube nicht, dass "Wladimir Putin eine existenzielle Bedrohung für Europa darstellt". Aber in dem Maße, in dem der es sei, müsse Europa eine aggressivere Rolle für seine eigene Sicherheit übernehmen.
Vance bemängelte, dass es keinen klaren Endpunkt für den Krieg in der Ukraine gebe. Die entscheidende Grenze für die US-amerikanische Unterstützung sei nicht das Geld, sondern die Munition. Und außerdem wäre es vernünftig, den Frieden über Verhandlungen zu erreichen.
In zwei Punkten konnte er die Europäer beruhigen: Er glaube nicht, dass die USA aus der NATO austreten sollten. Und er glaube nicht, dass die USA Europa aufgeben sollten.
Fragen bleiben
Bleiben Vances Widersprüche. Mancher fragt sich, ob er wirklich durch und durch Trumpist oder doch nur Opportunist ist. Vance will die Eliten bekämpfen, gehört als Yale-Absolvent und Finanzmanager aber selbst dazu.
Und in seinem Buch warf er der verarmten Arbeiterschicht noch vor, faul zu sein. Jetzt sieht er sie als Opfer - der Gewerkschaften, der globalisierten Konzerne, der Pharmaindustrie.
Was machen die Demokraten?
Die Demokraten bemühen sich, Vance als extremistischen Vollstrecker der "Make America Great"-Agenda zu zeichnen. Er sei eine direkte Bedrohung der amerikanischen Werte und Rechte, heißt es. Beim Thema Abtreibung etwa will Vance restriktivere Regeln als Trump.
Ansonsten nutzen die Demokraten das Entsetzen über das Attentat und den Trubel um den Parteitag der Republikaner, um im Stillen ihre Agenda umzusetzen. Noch vor ihrem eigenen Parteitag Mitte August wollen sie Biden als Kandidaten ihrer Partei nominieren.
Ein virtueller Roll Call, also die öffentliche Stimmabgabe der Bundesstaaten, könnte schon Ende Juli beginnen. Da hätten die Biden-Kritiker kaum noch eine Möglichkeit, beim Parteitag einen anderen Kandidaten durchzusetzen.
In einer früheren Version dieses Textes hieß es fälschlicherweise, Vance sei Harvard-Absolvent. Richtig ist, dass er in Yale studierte.
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