Donald Trump steigt aus einem Flugzeug.
interview

Parteitag nach Attentat "Trump kann sich als moderater Staatsmann zeigen"

Stand: 15.07.2024 13:05 Uhr

Trump könnte es durch seinen Umgang mit dem Attentat gelingen, auch moderate Wählerinnen und Wähler auf seine Seite zu bringen, erklärt Politikwissenschaftler Vormann bei tagesschau24. Der anstehende Parteitag biete die perfekte Bühne dazu.

tagesschau24: Was haben Sie gedacht, als Sie von dem versuchten Attentat auf Trump gehört haben? Was war Ihre erste Reaktion?

Boris Vormann: Mir war schon mulmig zumute. Zwar hat Gewalt in der Geschichte der USA eine gewisse Tradition, aber die Gewalt ist vor allem deshalb ein Problem, weil sie die Demokratie gefährdet. Ein Attentat auf einen Präsidenten oder ehemaligen Präsidenten ist eine Art Kurzschluss des politischen Prozesses. Das Sicherheits- und Gewaltmonopol des Staates wird in Frage gestellt und politisiert ein Staatsorgan, das eigentlich entpolitisiert gehört.

Boris Vormann, Politikwissenschaftler, Freie Universität Berlin
Zur Person

Boris Vormann ist Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy Institut der Freien Universität Berlin. Seine Forschung befasst sich mit den Auswirkungen von Globalisierungsprozessen auf politische Institutionen und urbane Ungleichheiten.

Mystik, Wunder, Gottesbeweis

tagesschau24: Inwiefern könnte dieses Attentat Trump nun vielleicht sogar im Wahlkampf dienlich sein?

Vormann: Wohl auf gleich mehreren Wegen. Zum einen stellt sich Trump schon seit Monaten und Jahren als politisch Verfolgter dar. Es gibt einen sehr starken Mythos in der amerikanischen Kultur, nicht nur in der politischen, auch in der Popkultur: der "Selfmade- Man", jemand, der unterdrückt wird und sich gegen alle Widerstände durchsetzt. Trump bedient dieses Bild.

Zum anderen könnte ihm die Art und Weise nützlich werden, wie das Ganze besprochen wird. Dieses Attentat umweht eine Mystik, eine Art Wunder oder vielleicht sogar Gottesbeweis. Gerade die evangelikalen Wählerinnen und Wähler fühlen sich bestätigt, dass Trump der Auserwählte ist. Möglicherweise ist das ein Mobilisierungsfaktor.

Das Wichtigste ist, dass er sich jetzt als moderater Staatsmann geben kann. Er kann die Wahlen nicht allein mit seiner Stammwählerschaft gewinnen, sondern muss auch moderate Wählerinnen und Wähler auf seine Seite bringen. Da bietet sich ihm jetzt mit der Republican National Convention, also mit dem Parteitag in Milwaukee, eine Bühne um sich als moderater Politiker zu inszenieren.

"Etwas Fundamentales"

tagesschau24: Die Demokraten hätten dann ja gar keinen Angriffspunkt mehr, und in der Vergangenheit hat sich Trump ja immer als politisches Opfer dargestellt. Jetzt ist er es ja irgendwie tatsächlich.

Vormann: Es ist schwierig und ich glaube, Präsident Joe Biden hat schon den richtigen Schritt gewählt. Es wäre auch zynisch, das Attentat sofort politisch zu instrumentalisieren. Ich glaube, es ist auch wichtig für die amerikanische Politik, dass man versucht, die Temperatur runterzukühlen und irgendwie versucht, einen demokratischen, minimalen Nenner zu finden.

tagesschau24: Nach dem Attentatsversuch zum Beispiel auf Ronald Reagan sind die Umfragewerte damals in die Höhe geschossen. Erwarten sie das auch im Fall von Trump?

Vormann: Es wirbelt natürlich den Wahlkampf weiter auf in einer ohnehin sehr polarisierten Stimmung in den USA. Ob das Trump hilft in dem Ausmaß, in dem es Ronald Reagan damals geholfen hat, als die Umfragewerte wirklich durch die Decke gingen, bleibt abzuwarten. Trotzdem: Das, was nun passiert ist, ist etwas Fundamentales.

"Die Demokraten müssten schnell entscheiden"

tagesschau24: Richten wir den Blick auf die Demokratische Partei. Ist es aus ihrer Sicht möglich, im Schatten der Debatte um das Attentat eine Art Break zu machen und einen neuen Kandidaten ins Rennen schicken?

Vormann: Das eine hat mit dem anderen erst mal nicht unbedingt was zu tun. Aber die Gespräche gehen natürlich weiter und die ersten großen Spender haben sich von Biden abgewendet. Es gibt auch erste Demokraten im Kongress, die das getan haben. Es gibt sehr wichtige Stimmen, die sich äußern.

Aber Biden scheint nach wie vor an seiner Kandidatur festzuhalten. Auch die Rede an die Nation gestern Abend ließ keinen Moment des Zweifels. Die Demokraten müssten jedenfalls relativ schnell entscheiden, wenn sie noch jemand anderen ins Rennen bringen möchten.

"Es wirbelt den Wahlkampf natürlich weiter auf", Boris Vormann, Politikwissenschaftler, zum Trump-Attentat

tagesschau24, 15.07.2024 10:00 Uhr

tagesschau24: Hat Präsident Biden in seiner Rede an die Nation denn den richtigen Ton getroffen, um diese aufgeheizte politische Rhetorik ein bisschen abzukühlen?

Vormann: Ich denke schon. In der zehnminütigen Rede zeigte sich genau dieser Versuch, an die gemeinsamen Werte zu appellieren, dass man sich nicht als Feind sehen darf in der Demokratie. Ich denke, dass er das gemacht hat, was zu tun war als Präsident.

Das Gespräch führte Romy Hiller, tagesschau24. Das Interview wurde für die schriftliche Form angepasst.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 15. Juli 2024 um 10:00 Uhr.