US-Wahl 2024
Kandidatenkür der US-Demokraten Vermutlich Harris - und wer noch?
Kamala Harris wird breit unterstützt, doch sicher ist ihre Nominierung nicht. Viel hängt auch davon ab, wen Harris zum Vize machen will. Was die Demokraten um Harris jetzt tun müssen - und wer als "running mate" infrage käme.
Die Ausgangslage
Rund 100 Tage vor der US-Präsidentschaftswahl zieht der amtierende Präsident Joe Biden seine erneute Kandidatur zurück - das ist beispiellos in der jüngeren US-amerikanischen Geschichte. Den Demokraten bleiben knapp vier Wochen bis zum Nominierungsparteitag in Chicago, um einen sauberen und rechtlich einwandfreien Kandidatenwechsel zu organisieren. Zwar deutet viel darauf hin, dass die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris als neue Nummer 1 ins Rennen geht, doch ganz sicher ist das nicht. Viel dürfte auch davon abhängen, wen sie als ihren "running mate" - also Vizepräsidentschaftskandidaten - auswählt.
Was muss Harris jetzt tun?
Die unmittelbare Aufgabe von Harris ist es, sich bis zum Parteitag Mitte August die Unterstützung der fast 4.000 Delegierten aus den Bundesstaaten, Außengebieten und dem Hauptstadtbezirk D.C. sowie von mehr als 700 sogenannten Superdelegierten zu sichern. Zu diesen gehören führende Parteivertreter, bestimmte gewählte Amtsträger und ehemalige Präsidenten und Vizepräsidenten.
Denn nachdem Biden die Vorwahlen der Demokraten in den US-Bundesstaaten gewonnen hatte, waren die Delegierten eigentlich verpflichtet, ihn beim Nominierungsparteitag zu unterstützen. Nach Bidens Rückzug ist der Verlauf des Parteitags offen: Harris kann gewählt werden, es kann aber auch Kampfkandidaturen geben. Zwar hat Bidens Empfehlung für Harris als Ersatzkandidatin durchaus Gewicht und auch andere in der Partei unterstützen Harris. Doch gelaufen ist ihre Nominierung damit nicht.
Allerdings scheint Harris auf einem guten Weg zu sein. Berichten von US-Medien zufolge hat sie bereits genügend Unterstützer unter den Delegierten der Demokraten, um sich beim Treffen in Chicago offiziell als Präsidentschaftskandidatin nominieren zu lassen.
Wie sichern die Demokraten die Harris-Kandidatur ab?
Die Demokraten wollen jeden Anschein von Chaos und Zwist vermeiden. Und so stellte sich eine ganze Reihe von Parteigrößen zügig hinter Harris, darunter vor allem die ebenfalls als mögliche Bewerber gehandelten Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien), Josh Shapiro (Pennsylvania) und Roy Cooper (North Carolina). Konkurrenz von der einflussreichen Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, muss die Vizepräsidentin nach deren Verzicht nicht fürchten. Vom linken Flügel der Partei bekam Harris Unterstützung von der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez.
Wichtige Parteimitglieder, unter anderem Top-Demokratin Nancy Pelosi, stärkten Harris ebenfalls öffentlich den Rücken. Der ehemalige US-Präsident Barack Obama sprach dagegen nur von der Zuversicht, dass "ein herausragender Kandidat" gefunden werde. Ebenfalls zurückhaltend blieben bislang der Minderheitsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, und der Mehrheitsführer der Partei im Senat, Chuck Schumer.
Weiter abgesichert werden soll Harris' Kandidatur, indem die Partei ihre Delegierten schon vor dem Nominierungsparteitag erste Festlegungen treffen lassen will. Dafür sollen Pläne für eine virtuelle Abstimmung vorangetrieben werden, in der die Delegierten vor dem Treffen in Chicago einen Kandidaten oder eine Kandidatin auswählen können. Der Ausschuss, der die Regeln des Parteitags festlegt, wollte sich am Mittwoch treffen, um festzulegen, wie das Verfahren ablaufen könnte. Ein Entwurf des Plans lag der Nachrichtenagentur AP vor.
Laut Nachrichtenagentur Reuters soll die virtuelle Abstimmung vom 1. bis 5. August stattfinden. Der Vorsitzende der demokratischen Parteiorganisation DNC, Jaime Harrison, sagte, der Prozess solle bis zum 7. August abgeschlossen sein. Die Parteiführung hofft, mit diesem effizienten Vorgehen eine geschlossene Front für den Parteitag in Chicago vom 19. bis 22. August präsentieren zu können.
Eine Vor-Abstimmung im Vorfeld des Parteitags hätte auch den Vorteil, dass die Demokraten eine einmonatige Personaldebatte vermeiden.
Auf jeden Fall wird die Partei einen chaotischen Parteitag in Chicago vermeiden wollen. So etwas hatte es schon 1968 gegeben, als sie einen Nachfolger für den damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson bestimmen wollten, der sieben Monate vor der US-Wahl das Handtuch warf. Es trat dann Hubert Humphrey an und verlor die Wahl haushoch gegen den Republikaner Richard Nixon.
Wer passt an Harris' Seite?
Die Demokraten müssen jetzt relativ schnell einen schlagkräftigen Kandidaten oder eine Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten finden. Jemand, der einerseits zu Harris passt und zugleich andere Wählerschichten anspricht als sie. Und möglichst nicht völlig unbekannt ist.
Harris ist mit ihren 59 Jahren zwei Jahrzehnte jünger als der republikanische Kandidat Donald Trump. Sie ist zudem eine Wortführerin ihrer Partei im Streit über das Abtreibungsrecht, das viele Republikaner verschärfen wollen. Vor allem bei jungen Wählern und im linken Flügel der Demokraten ist dies ein wichtiges Thema. Zudem glauben viele Parteifreunde, Harris könnte schwarze Wähler motivieren, ihre Stimme den Demokraten zu geben. Auch bauen viele auf die Fähigkeit von Harris, scharfe und kontroverse Debatten führen zu können. Kaum punkten konnte sie als Vizepräsidentin jedoch bei einigen ihr zugewiesenen Themen wie dem Kampf gegen die illegale Migration an der Grenze zu Mexiko.
Als Vize würde sich aus Sicht der Demokraten ein männlicher weißer Kandidat anbieten, der idealerweise aus einem Swing State kommt. Eine Auswahl potenzieller "running mates":
Josh Shapiro: Der 51-Jährige ist Gouverneur von Pennsylvania, dem größten der Swing States. Vor seinem Amtsantritt Anfang 2023 war Shapiro in Pennsylvania zwei Mal zum Generalstaatsanwalt gewählt worden. In diesem Amt ging er etwa gegen Purdue Pharma vor, den Produzenten des stark süchtig machenden Schmerzmittels Oxycontin. Der 51-jährige Shapiro ist ein eindringlicher Redner und ein erklärter Zentrist - beide Eigenschaften könnten ihn dazu bringen, ein Amt auf nationaler Ebene anzustreben.
Josh Shapiro und Kamala Harris bei einem Termin in Philadelphia.
J.B. Pritzker: Der Milliardär und Gouverneur des stark demokratisch geprägten US-Bundesstaates Illinois erwies sich als wichtige Kraft innerhalb der Partei. Pritzker, dessen Familie die Hotelkette Hyatt Hotels besitzt, nutzte seine eigenen finanziellen Ressourcen, um Bidens Wahlkampf zu unterstützen.
Andy Beshear: Der demokratische Gouverneur von Kentucky blickt auf eine erfolgreiche politische Karriere in einem stark republikanisch geprägten Bundesstaat zurück, der 2020 mit mehr als 25 Prozentpunkten Vorsprung für den Republikaner Trump gestimmt hat. Beshear hat sich dafür eingesetzt, Arbeitsplätze nach Kentucky zu holen, die öffentliche Bildung zu fördern und den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern. Als Gouverneur legte er sein Veto gegen Gesetze ein, die Abtreibung und geschlechtsangleichende Operationen für transsexuelle Jugendliche verboten, obwohl diese von der republikanisch dominierten Legislative überstimmt wurden.
Der Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear.
Pete Buttigieg: Der US-Verkehrsminister konnte im Vorwahlkampf 2020 gegen Biden und Harris eine starke Anhängerschaft unter den Wählern der Demokratischen Partei aufbauen und gewann die Vorwahl in Iowa. Buttigieg, der als geschickter Verfechter von Bidens Politik gilt, unterstützte anschließend Biden und wurde 2021 in das Kabinett der neuen Regierung berufen. Der ehemalige Bürgermeister von South Bend, Indiana, hat auch enge Verbindungen nach Michigan, einem für die Demokraten im November wichtigen Bundesstaat.
Marc Kelly: Der US-Senator aus Arizona wird von der demokratischen Parteielite geschätzt, weil er in einem umkämpften, traditionell eher republikanisch geprägten Bundesstaat, den Biden 2020 gewonnen hatte, relativ moderate Töne anschlägt. Kelly, ein ehemaliger Kapitän der US-Marine und Astronaut, ist auch der Ehemann der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords, die 2011 bei einem Attentat schwer verletzt wurde. Waffengewalt ist ein wichtiges Wahlkampfthema der Demokraten.
Ray Cooper: Der Gouverneur von North Carolina wurde von den Demokraten für seinen starken Fokus auf wirtschaftliche Entwicklung und seine Fähigkeit gelobt, in einem politisch umkämpften, republikanisch geprägten Staat relativ hohe Zustimmungswerte zu erzielen. North Carolina ging sowohl 2016 als auch 2020 an Trump.
Gavin Newsom: Der 56 Jahre alte Gouverneur des liberalen US-Bundesstaats Kalifornien schielt schon länger aufs Weiße Haus. In den vergangenen Monaten ist Newsom verstärkt international gereist, hat Werbung geschaltet, in der seine Leistungen angepriesen wurden und Millionenbeträge in ein Komitee investiert, das seinen Wahlkampf unterstützt. Damit hat er Spekulationen genährt, dass er sich 2028 um die US-Präsidentschaft bewerben will - also warum nicht schon 2024 als Vize? Im Wahlkampf hat er sich zum Beispiel ein TV-Duell mit dem Republikaner Ron DeSantis geliefert, als dieser noch im Rennen für die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei war. Newsom, einst Bürgermeister von San Francisco, gilt als eloquent und gut vernetzt. Ob er aber auch bei der konservativeren ländlichen Bevölkerung punkten könnte, ist aber fraglich.
"Lass uns das gewinnen, Kamala Harris": Gouverneurin Whitmer
Sollten sich die Demokraten um Harris doch für eine Frau als Vize entscheiden, gehört Gretchen Whitmer zum Kandidatenkreis. Die 52 Jahre alte Gouverneurin des Bundesstaats Michigan, eine gelernte Juristin, kann eine lange Karriere in der Politik vorweisen und zählt zum Führungszirkel der Demokratischen Partei. Bei der Präsidentenwahl 2020 war sie in der engeren Auswahl Bidens als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.
Wegen ihrer verhältnismäßig strikten Coronapolitik ist sie zum Feindbild vieler Republikaner geworden. Schlagzeilen machte auch, dass 2020 mehrere Männer festgenommen worden, die ihre Entführung geplant hatten. In ihrem Bundesstaat leben viele schwarze und arabisch-amerikanische sowie viele der Arbeiterklasse zugehörige Wähler. Michigan ist einer der sogenannten Swing States, in denen weder die Demokraten noch die Republikaner mit einem klaren Sieg rechnen können und die letztlich entscheidend für den Ausgang der Präsidentschaftswahl am 5. November sind.
Whitmer stellte sich - wie viele andere Parteischwergewichte - hinter Harris: "Lass uns das gewinnen, Kamala Harris", schrieb die Gouverneurin von Michigan auf der Plattform X. Es gelte, den Republikaner Donald Trump von einer Rückkehr ins Weiße Haus abzuhalten.