Mögliche Biden-Nachfolgerin Neue Angriffe mit alter Desinformation
Nach dem Rückzug von US-Präsident Biden gilt die Kandidatur seiner bisherigen Vize Harris als sehr wahrscheinlich. Dadurch rückt die Demokratin wieder stärker in den Fokus von Desinformation.
"Heute ist heute. Und gestern war heute gestern. Morgen wird heute morgen sein. Also lebe heute, damit die Zukunft heute so sein wird wie die Vergangenheit heute, wie sie morgen ist" - ein Video mit diesen wirren Worten von der US-Vizepräsidentin Kamala Harris wird seit gestern wieder viel geteilt, dabei ist es gar nicht echt. Denn das Video wurde manipuliert.
Das Originalvideo stammt von einer Rede Harris' bei einer politischen Veranstaltung zu reproduktiven Rechten an der Howard Universität in Washington DC im vergangenen Jahr. Das Transkript der Rede ist ebenfalls noch online. Die oben zitierte Passage kommt darin nicht vor, auch im Originalvideo ist sie nicht zu sehen.
Wie die britische Faktencheckseite Full Fact schreibt, wurde die Tonspur des Videos ersetzt. Zudem sei möglicherweise auch Künstliche Intelligenz eingesetzt worden, um den gefälschten Ton mit ihren Mundbewegungen zu synchronisieren. Dieses Video und weitere Falschbehauptungen verbreiten sich seit der Bekanntgabe von Joe Bidens Verzicht auf die Kandidatur zur US-Wahl und der damit wahrscheinlichen Nachfolge durch Harris wieder rasant.
Harris darf kandidieren
Auch die Herkunft von Harris wird immer wieder fälschlicherweise von politischen Gegnern und Verschwörungsideologen angezweifelt - ähnlich wie bereits beim früheren US-Präsidenten Barack Obama. So wird behauptet, sie dürfe gar nicht für das Präsidentenamt kandidieren. Denn nur sogenannte "natural-born citizens" (auf Deutsch: geborene Staatsbürger) dürfen US-Präsidenten werden.
Bereits vor der vergangenen US-Wahl wurde diese Verschwörungserzählung von Trump-Anhängern und auch dem damaligen US-Präsidenten und heutigen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump selbst verbreitet. Dabei wurde Harris in Oakland im Bundesstaat Kalifornien geboren. Sie darf daher auch für das Präsidentenamt kandidieren. Dass ihr Vater aus Jamaika und ihre Mutter aus Indien stammen, spielt dabei keine Rolle.
Corona-Impfung war nicht inszeniert
Auch zum Thema Corona wurden und werden Falschbehauptungen über Harris aufgestellt. So heißt es immer wieder, Harris sei gar nicht gegen Covid-19 geimpft worden. Als vermeintlichen Beweis dienen Videos von der Impfung von Harris, in denen auf die Spritze herangezoomt wird mit der Behauptung, es sei keine Nadel zu sehen. Allerdings liegt das eher an der schlechten Videoqualität der verbreiteten Clips, bei denen etwas so dünnes wie die Nadel der Spritze nicht zu erkennen ist.
Auf Bildern von Nachrichtenagenturen ist hingegen deutlich zu erkennen, dass es sich um eine richtige Spritze gehandelt hat. Harris erhielt demnach den Corona-Impfstoff von Moderna. Ihre Impfung wurde auch live im Fernsehen übertragen.
Kamala Harris bei der Corona-Impfung.
Manipuliertes Bild mit Epstein
Auch ein manipuliertes Bild wurde verbreitet, auf dem Harris neben Jeffrey Epstein zu sehen ist. Epstein war im Juli 2019 festgenommen worden. Der bis in die höchsten Kreise vernetzte Geschäftsmann soll gegenüber zahlreichen auch minderjährigen Mädchen sexualisierte Gewalt ausgeübt und die Betroffenen auch anderen Männern zugeführt haben. Rund einen Monat nach der Festnahme wurde Epstein im Alter von 66 Jahren tot in seiner Zelle gefunden. Offiziellen Angaben zufolge nahm er sich das Leben.
Das Foto, das Harris neben Epstein zeigt, wurde jedoch bearbeitet. Mit einer Bilderrückwärtssuche ist das Originalfoto zu finden, das Harris mit ihrem Mann Douglas Emhoff zeigt.
Harris wird besonders oft angegriffen
Dass Harris besonders im Fokus von Desinformation steht, wurde in den USA bereits bei der vergangenen Wahl thematisiert. So wurden in einer Studie mehr als 300.000 Posts in den sozialen Netzwerken gegen 13 Politikerinnen vor den US-Wahlen untersucht. In mehr als drei Viertel dieser Posts wurde Harris angegriffen.
In der Studie heißt es dazu:
Es zeigte sich, dass viele der Angriffe und Desinformationen, die Harris entgegen geschleudert wurden, sich mit denen von Barack und Michelle Obama decken: dass sie aufgrund ihrer Abstammung nicht genügend schwarz oder indisch sei, dass sie nicht legal als Vizepräsidentin dienen könne, weil ihre Eltern Einwanderer seien, dass sie sich nach oben geschlafen habe, dass sie einen geheimen Plan habe, um Biden die Macht zu entreißen, und - vielleicht am abwegigsten - dass sie insgeheim ein Mann sei.
Den Studienautoren zufolge spielen zwei Faktoren dabei eine Rolle: Harris' Geschlecht und ihre Hautfarbe. Denn geschlechtsspezifische Belästigungen und Desinformationskampagnen gegen nicht-weiße Frauen im Internet seien noch einmal umfangreicher und schwerwiegender als die, mit denen weiße Frauen konfrontiert sind.