US-Vizepräsidentin Harris Plötzlich Profil
Nach Bidens Rückzug rückt US-Vizepräsidentin Kamala Harris in den Blickpunkt. Bisher hieß es oft, sie sei unsichtbar und habe kein eigenes Profil. Das ändert sich gerade.
Kamala Harris hat ihre berufliche Karriere als Staatsanwältin begonnen, und das hatte einen Grund. Als sie in der Highschool war, habe sie erfahren, dass ihre beste Freundin von ihrem Stiefvater belästigt wurde, so erzählte Harris es gerade erst bei einer Veranstaltung in Michigan.
Sie habe ihre Freundin eingeladen, bei der Familie Harris zu wohnen, mit Zustimmung ihrer Mutter. Und sie selbst habe daraufhin beschlossen, einen Beruf zu ergreifen, in dem sie besonders Frauen und Kinder vor Gewalt schützen konnte.
Blass und profillos?
Harris, die Beschützerin der Frauen, die Kämpferin für das Recht auf Abtreibung: So tourt die Vizepräsidentin gerade durchs Land. Die Regierung von Joe Biden und vor allem sein Wahlkampfteam haben Abtreibung als Thema identifiziert, das ihnen bei den Wählerinnen helfen kann. Und es ist ein Thema, das zu der früheren Generalstaatsanwältin und Justizministerin aus Kalifornien passt.
Lange war ihr vorgeworfen worden, sie sei blass und profillos. Kein Wunder, sagt Politikwissenschaftler Danny Hayes von der George-Washington-Universität. Noch jeder Vizepräsident habe die Themen bekommen, mit denen der Präsident sich nicht herumschlagen will, die kompliziert oder schwer zu lösen seien oder sich politisch nicht lohnten.
Republikaner machen sie für alles verantwortlich
In Harris' Fall hatte Präsident Biden ihr die Aufgabe zugeschanzt, sich um die Einwanderungspolitik zu kümmern - ein komplexes Thema, an dem noch jede Regierung gescheitert ist und in dem auch Harris nicht weit kam.
Mehr noch: Ihr diese unlösbare Aufgabe zu geben, hat Harris angreifbar gemacht. Einwanderung ist ein emotional hoch aufgeladenes Thema in den USA. Und die Republikaner haben am Sonntag nicht lange gezögert, einen Werbespot auf den Markt zu werfen, der Harris persönlich dafür verantwortlich macht, dass weiterhin Millionen von Menschen unerlaubt ins Land kommen.
Und sie stellen Harris als Frau der extremen Linken dar, die der Polizei das Geld wegnehmen will und Kriminelle fördert. Sie habe als progressive Staatsanwältin Wahlkampf gemacht und wollte öffentliche Sicherheit neu denken, sagte etwa Eric Schmitt, Abgeordneter aus Missouri, beim Parteitag der Republikaner. "Das müssen wir nicht. Wir wissen genau, wie sichere Kommunen aussehen."
Ihre Umfragewerte haben sich verbessert
Demokraten, die sich fragen, ob Harris wirklich die Richtige ist, verweisen auf ihren Versuch, 2020 anzutreten. Sie scheiterte schnell und kläglich. Ihre öffentliche Auftritte als "VP" wirken manchmal unbeholfen. Sie greift immer mal in der Wortwahl daneben, sie ist keine mitreißende Rednerin - und ihre Umfragewerte waren lange noch schlechter als die Bidens. Das scheint sich gerade zu verändern.
Etwa 60 Prozent der Anhänger der Demokraten glauben, dass Harris einen guten Job an der Spitze des Landes machen könnte, heißt es in einer neuen Umfrage. Gerade bei schwarzen Frauen könnte Harris, die Tochter indisch-jamaikanischer Einwanderer, gut abschneiden.
Diese Gruppe von Wählerinnen ist enorm wichtig für die Demokraten. Ob Harris aber tatsächlich Trump schlagen könnte oder ob es bessere Kandidaten gäbe, das scheint im Moment noch nicht klar zu sein.
Harris' schwieriger Spagat
Harris selbst hat sich in den vergangenen Wochen stets vor ihren Präsidenten gestellt, zum Beispiel nach der katastrophalen TV-Debatte. "Der Start war langsam, das Ende stark", so verteidigte sie ihren Chef, nachdem Biden als fahrig und unsortiert rübergekommen war. Es sei im Laufe der Nacht klar geworden, dass Biden im Interesse des amerikanischen Volkes kämpfe, lobte Harris ihn stattdessen.
Für sie selbst war es ein schwieriger Spagat, den Präsidenten zu beschützen, ohne sich selbst dabei allzu klein zu machen. Denn: Nur als starke Vizepräsidentin konnte sie sicher sein, nicht übergangen zu werden, wenn es um die Biden-Nachfolge geht. Nur so kann sie hoffen, Biden als die Nummer eins im Wahlkampf und im Weißen Haus abzulösen.