Nach Aussetzung der EU-Asylbewerber-Regeln Ungarn rudert zurück
Für reichlich Unmut bei EU-Kommission und Österreich hat eine Ankündigung aus Ungarn gesorgt: Die Regierung in Budapest hatte bekannt gegeben, das europäische Flüchtlingsabkommen auszusetzen. Genau einen Tag später kommt der Rückzieher.
Von Stephan Ozsváth, ARD-Studio Wien
Zwei Schritte vor, einen zurück. Nach diesem Muster verfährt die ungarische Regierung nun auch in der Flüchtlingspolitik. Gestern noch hatte sie erklärt, keine Flüchtlinge nach dem Dublin-Verfahren mehr zurückzunehmen. Danach müssen Asylbewerber dort ein Verfahren durchlaufen, wo sie erstmals EU-Boden betreten. Heute Mittag folgte dann die Rolle rückwärts. Außenminister Péter Szíjártó sagte in Budapest: "Ungarn hält ausnahmslos alle EU-Vereinbarungen ein und erfüllt seine EU-Verpflichtungen ohne Abstriche. Und auf noch etwas möchte ich hinweisen: Dass keine EU-Regel in Ungarn ausgesetzt wird. Davon ist keine Rede. So eine Entscheidung hat es nicht gegeben."
Für Österreich "völlig inakzeptabel"
Dabei hatte genau dies Orbáns Sprecher gestern mitgeteilt. Ungarns EU-Botschafter Görkös nannte den Budapester Vorstoß heute wörtlich "eine dringende Bitte" an die anderen EU-Staaten. Ungarn habe keine rechtswirksame Entscheidung zur Suspendierung irgendwelcher Elemente des Dublin-Systems getroffen, betonte auch der Diplomat in Brüssel.
Das Verwirrspiel sorgte für reichlich Unmut in der EU. Vizekommissionspräsidentin Kristalina Georgiewa betonte, dass bestehende Vereinbarungen respektiert werden müssten. Und Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner drohte im ORF mit weiteren Schritten: "Diese Entscheidung seitens Ungarns ist für uns völlig inakzeptabel. Ich erwarte hier auch eine sofortige Reaktion der EU-Kommission. Wenn man Dublin aushebelt, setzt man natürlich auch die Reisefreiheit in Europa aufs Spiel und das schließt auch Grenzkontrollen als letzte Maßnahme nicht aus".
Die konservative Politikerin hatte auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ins Spiel gebracht. Österreich ist ungehalten, weil die Alpenrepublik mittels Dublin-Verfahren eigene Flüchtlinge loswerden will: Solche Fälle sollten bevorzugt bearbeitet werden, hatte Mikl-Leitner jetzt angeordnet.
Opposition: Aufruhr nicht gut für Ungarn
In Ungarn verteilte die Opposition schlechte Haltungsnoten an die Regierung Orbán. Etwa Bernadett Szél von den Grünen: "Es ist klar, dass es eine Schicksalsgemeinschaft der Länder an der Peripherie gibt. Hier müsste man die Gespräche fortsetzen und versuchen, in der Union eine Lösung zu verhandeln, die es Ungarn ermöglicht, die Lasten zu tragen. Damit haben wir kein Problem. Aber die Dinge laufen nicht so, wie Viktor Orbán das denkt. Für Ungarn ist es nie gut, wenn er plötzlich eine Idee in die EU wirft. Er ist dort in keiner guten Position. Und es ist nicht im Interesse des Landes, für Aufruhr zu sorgen, sondern man muss Lösungen finden."
Über Serbien kommen täglich Hunderte Flüchtlinge nach Ungarn. Alleine in diesem Jahr seien es 60.000 illegale Zuwanderer, so die Regierung. Platz sei aber nur für 3000. Die Auffanglager seien überfüllt. Ungarn ist gegen eine verpflichtende Flüchtlingsquote, wie sie die EU plant. In der vergangenen Woche hatte die Regierung in Budapest den Bau eines Zauns an der serbisch-ungarischen Grenze angekündigt.