Gespräche in Brüssel Türkei hofft auf "historischen Tag"
Der türkische Ministerpräsident Davutoglu hat hohe Erwartungen an den Türkei-EU-Gipfel, der in Brüssel tagt: Es sei ein "historischer Tag" im EU-Beitrittsprozess seines Landes. Zumindest kann die Türkei auf Visa-Liberalisierung ab Herbst 2016 hoffen. Der EU geht es vor allem um die Flüchtlingspolitik.
In Brüssel beraten die Staats- und Regierungschefs der EU mit der Türkei über einen Aktionsplan zur Lösung der Flüchtlingskrise. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, es gehe um das "künftige Schicksal unseres Kontinents", um "regionale, geopolitische Herausforderungen, die vor uns liegen, die Migrationsfrage eingeschlossen". In Zusammenhang mit dem EU-Beitrittsprozess der Türkei, der in diesem Zusammenhang wieder mehr Aufmerksamkeit erhält, sprach Davutoglu von einem "historischen Tag".
Zumindest können türkische Staatsbürger darauf hoffen, ab Oktober 2016 ohne Visum nach Europa reisen zu dürfen. Das wurde am Rande des Gipfels bekannt. Bislang gab es dafür kein Datum. Die Visafreiheit würde für den Schengen-Raum gelten, dem die meisten EU-Staaten angehören. Voraussetzung ist unter anderem, dass das Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und der Türkei im kommenden Juni angewendet wird. Die Türkei müsste dann illegal in die EU eingereiste Flüchtlinge aus Drittstaaten wieder zurücknehmen.
Forderung nach Demokratie und Medienfreiheit
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wies jedoch darauf hin, dass die türkische Regierung dem Volk demokratische Rechte und Medienfreiheit gewähren müsse. So waren erst am Donnerstag der Chefredakteur und ein Korrespondent der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" festgenommen worden. Auch forderte Mogherini die Wiederaufnahme der Gespräche mit den Kurden, die EU könne dabei helfen.
Der belgische Ministerpräsident Charles Michel sagte, die Türkei sei noch weit entfernt von einer EU-Mitgliedschaft. Auch sprach er sich dagegen aus, Ankara einen "Blanko-Scheck" zu geben, um die zwei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu versorgen. Belgien sei nicht dazu bereits, sich daran zu beteiligen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk formulierte recht allgemeine Erwartungen: Die EU wolle die Beziehungen zur Türkei wiederbeleben. Er fügte hinzu, der Gipfel drehe sich in erster Linie um die Flüchtlingskrise: "Unser Hauptziel ist, den Zustrom von Migranten nach Europa einzudämmen." Dazu soll ein Aktionsplan verabschiedet werden.
Tusk warnte zugleich vor zu hohen Erwartungen, eine schnelle Lösung zu erreichen. Jegliches Abkommen mit der Regierung in Ankara werde die derzeitige Lage nicht über Nacht lösen. Das wichtigste Thema sei zudem die Verantwortung der EU, ihre Außengrenzen selbst zu schützen. Diese Pflicht könne sie nicht einem dritten Land auftragen.
Anspruch auf Hilfe der EU
Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, die Türkei habe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise einen Anspruch auf Hilfe der EU. "Es geht (...) darum, dass die Türkei weit mehr als zwei Millionen Flüchtlinge beherbergt und dafür wenig internationale Unterstützung bekommen hat", sagte Merkel bei ihrer Ankunft zum Gipfel. Die Schutzsuchenden dort müssten bessere Lebensbedingungen erhalten, etwa durch ein Recht auf Arbeit, aber auch durch die finanzielle Unterstützung der EU, damit ihre Kinder zur Schule gehen könnten.
Die EU werde künftig aus vielerlei Gründen enger mit der Türkei zusammenarbeiten, betonte Merkel: "Denken wir nur an den Bürgerkrieg in Syrien, an den Kampf gegen (die Extremistenmiliz) IS, aber auch an die illegalen Migrationsbewegungen."
Ein wesentlicher Teil des Aktionsplans, der beim Gipfel verabschiedet werden soll, werde darin bestehen, wie illegale Migration durch legale Migration ersetzt werden kann, so Merkel. Auf der Tagesordnung stehe auch der Kampf gegen die Schleuser und die Verpflichtung der Türkei zur Rücknahme von Flüchtlingen, die aus Drittstaaten über das Land in die EU einreisten und dann dorthin abgeschoben werden könnten. Im Gegenzug solle über eine Visa-Liberalisierung für die Türkei und die Eröffnung neuer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen der EU mit dem Land gesprochen werden.
Illegale Migration eindämmen
Wie illegale Migration gestoppt und legale Migration ermöglicht werden soll, darüber beriet vor dem EU-Türkei-Gipfel eine kleinere Runde von EU-Staaten. "Das ist ein Treffen derjenigen Staaten, die bereit sind, Flüchtlinge in großer Zahl aus der Türkei auf legalem Wege nach Europa zu bringen", erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu den Beratungen, an dem Merkel sowie Staats- und Regierungschefs aus Österreich, Schweden Finnland, Griechenland sowie den Benelux-Ländern teilnahmen. Die Türkei solle im Gegenzug "maximale Grenzsicherung" garantieren. Es gehe darum, die Last für die Türkei zu reduzieren und "Illegalität durch ein Maximum an Legalität" zu ersetzen, sagte Juncker. Es gehe dabei um legale Einwanderung.
Juncker wies darauf hin, dass die Türkei derzeit 2,5 Millionen Flüchtlinge beherberge. Dass davon 400.000 legal in die EU kommen könnten, wollte er jedoch nicht bestätigen. Diese Zahl war zuvor im Gespräch gewesen.