Diskussion über Umgang mit der Türkei "Wahlkampfhilfe" oder "Kompromisssuche"?
Die Grünen sehen Angela Merkels Türkei Besuch als "Wahlkampfhilfe für ein autoritäres Regime", Bundesinnenminister Thomas de Maizière verteidigt die Reise als eine "notwendige Kompromisssuche": Merkel war nach Ankara geflogen, um eine Zusammenarbeit in der Flüchtlings-Frage zu erreichen.
Wie kann man die Flüchtlingssituation verändern? Mit dieser Frage, mit dem Ziel, dafür zu sorgen, dass weniger Menschen nach Deutschland kommen, war Bundeskanzlerin Merkel gestern in die Türkei gereist. Ihr Besuch stößt auf geteiltes Echo. "Wir müssen die europäischen Außengrenzen sichern," sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber im ARD-Morgenmagazin. "Das geht nur gemeinsam mit der Türkei." "Wir gehen auch immer wieder kritisch mit den Geschehnissen in der Türkei um," versuchte Tauber Kritikern zuvor zu kommen. Man könne nicht sagen, "Wir warten bis die Wahl rum ist."
"Wahlkampfhilfe für ein autoritäres Regime"
Die Kritiker werfen Merkel vor, mit ihrer Ankara-Reise zwei Wochen vor der türkischen Parlamentswahl die islamisch-konservative Regierungspartei AKP aufzuwerten. Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, kritisierte in der ARD, Erdogan lasse Journalisten einsperren. "Von seinen Häschern werden sie zusammengeprügelt, Büros von Oppositionsparteien werden angezündet. Das ist die Realität gegenwärtig in der Türkei."
Ebenfalls kritisch äußerte sich die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, in der Zeitung "Die Welt". Sie sieht, wie Özdemir, in der Türkei erhebliche Defizite beim Umgang mit wesentlichen Grundrechten, insbesondere bei Meinungs- und Pressefreiheit. "Wir dürfen der Türkei nicht zu viele Zugeständnisse machen: ein EU-Beitritt steht nicht auf der Tagesordnung."
Unterstützung für die Reise kam dagegen aus der SPD. In der "Bild"-Zeitung verteidigte Generalsekretärin Yasmin Fahimi: "Auch wenn die Voraussetzungen außenpolitisch und in der türkischen Innenpolitik höchst schwierig sind, führt kein Weg an der Zusammenarbeit mit der Türkei vorbei." Der zentrale Punkt sei, die Lage der Flüchtlinge zu verbessern.
"Hauptschlüssel zur Lösung der Krise"
In eine ähnliche Richtung ging Innenminister Thomas de Maizière. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland, der EU und der Türkei sei ein "Hauptschlüssel zur Lösung der Krise". Es gelte, die Interessen zwischen allen Seiten miteinander auszugleichen.
Bundeskanzlerin Merkel hatte der Türkei gestern finanzielle Hilfen und eine erleichterte Einreise ihrer Bürger in die EU in Aussicht gestellt. Sie hofft im Gegenzug auf Hilfe in der Flüchtlingskrise, besonders eine schnellere Einführung des Rückübernahmeabkommens.
Nach Angaben aus Ankara hat die Türkei bislang 2,5 Millionen Menschen aufgenommen - alleine aus Syrien und dem Irak. Im Gegenzug will die türkische Regierung von der EU dafür drei Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge, die EU hatte bislang eine Milliarde geboten.