Überraschendes Urteil Thailands Regierungschef Srettha abgesetzt
Nach nur einem Jahr im Amt muss Thailands Regierungschef Srettha schon wieder weichen - so entschied es das Verfassungsgericht des Landes. Wer ihm nun nachfolgt: unklar.
Das Urteil hat politische Beobachter überrascht - und auch den Regierungschef selbst. Der 62-jährige Srettha Thavisin hatte seinen Terminkalender für die kommenden Wochen bereits gut gefüllt und war gerade unterwegs, als das Urteil fällt. Mit 5 zu 4 Stimmen entschied das thailändische Verfassungsgericht seine Absetzung. Er habe gegen die Vorschriften verstoßen, als er einen vorbestraften ehemaligen Anwalt als Minister in sein Kabinett berufen hatte.
Der Politiker Pichit Chuenban war vor 16 Jahren wegen Bestechung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er war bereits im Mai wegen zunehmenden Drucks zurückgetreten. Damals hatten 40 militärnahe Senatoren Klage gegen den Regierungschef beim Verfassungsgericht eingereicht.
Der Regierungschef und ehemalige Immobilienmogul Srettha sagte zu seiner Verteidigung, er habe vorab Rechtsberatung eingeholt und sein Bestes für das Land gegeben. "Ich bin traurig, dass ich als Premierminister ohne Moral angesehen werde, was ich nicht bin. Aber wenn die Justiz eine Entscheidung getroffen hat, muss ich sie akzeptieren." Srettha war damit weniger als ein Jahr Regierungschef.
Nachfolge-Kandidaten schon in den Startlöchern
Jetzt beginnt im Parlament wieder die schwierige Suche nach einem Nachfolger. Bereits am Freitag wollen die Abgeordneten zusammenkommen, um einen neuen Premierminister oder eine neue Premierministerin zu wählen. Die Partei des abgesetzten Regierungschefs Srettha wird entweder den ehemaligen Justizminister Chaikasem Nitisiri ins Rennen schicken oder die 37-jährige Paetongtarn Shinawatra.
Sie hatte mit Srettha im vergangenen Jahr Wahlkampf gemacht, ist die Vorsitzende der Partei Pheu Thai und Tochter von Thailands ehemaligem Regierungschef Thaksin Shinawatra. Sie wäre die dritte aus der Politiker-Familie, die das Spitzenamt übernehmen würde. Es ist jedoch auch möglich, dass eine andere Partei aus der Regierungskoalition die Nachfolge des abgesetzten Premierministers stellt.
Viel auf den Weg gebracht, aber wenig umgesetzt
In der Bevölkerung ist die Stimmung zum Urteil gemischt. Die 30-jährige Airada Nanok etwa sagt gegenüber einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters: "Ich hatte das Gerücht gehört, also war es nicht so schockierend, aber ich habe nicht erwartet, dass er so schnell weg sein würde." Sie vermisst konkrete Ergebnisse aus Srettha Regierungszeit, er sei vor allem im Ausland unterwegs gewesen. Andererseits habe er nur ein Jahr Zeit gehabt für politische Reformen.
In dieser Zeit hat Srettha unter anderem die Ehe für alle auf den Weg gebracht. Zudem sollten zum Ende des Jahres rund 40 Millionen Thailänder rund 260 Euro in einem "digitalen Portemonnaie" erhalten, die sie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ausgeben sollen, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Der 35-jährige Pachara Puwawattna beobachtet die Gerichtsentscheidung mit Sorge. Doch die Lage sei schon vorher besorgniserregend gewesen. Damit spielt er auf die turbulente politische Vergangenheit an - denn Srettha ist bereits der vierte thailändische Premierminister innerhalb von 16 Jahren, der durch ein Urteil des Verfassungsgerichts abgesetzt wurde.
Viele politische Unwägbarkeiten
Das Urteil heute hat die politische Unsicherheit erhöht und Bedenken über mögliche Umwälzungen in Südostasiens zweitgrößter Volkswirtschaft geweckt. Erst vor einer Woche hat das Verfassungsgericht die größte Oppositionspartei des Landes aufgelöst. Die beliebte Partei Move Forward habe mit ihrem Plan, das Gesetz zur Majestätsbeleidigung zu entschärfen, Thailands konstitutionelle Monarchie gefährdet. Mit der Absetzung des Regierungschefs Srettha gibt es nun eine weitere Niederlage für eine Partei, die der alten Machtelite Thailands kritisch gegenübersteht.
Srettha selbst erklärte nach dem Urteil nur, er wolle seinem Land auf andere Weise helfen. Dafür müsse er nicht Abgeordneter oder Premierminister sein.