Schulz-Nachfolge Auch Verhofstadt will es machen
Für die Nachfolge von EU-Parlamentspräsident Schulz gibt es einen weiteren Kandidaten: Auch der Belgier Verhofstadt will den Job. Damit ist der Kampf um den höchsten Posten des EU-Parlaments nochmal spannender geworden.
Nun macht er es also doch: Guy Verhofstadt, ehemaliger Premierminister Belgiens, heute Chef der Liberalen im Europaparlament, will der Nachfolger von Martin Schulz werden. Der Sozialdemokrat Schulz hat das EU-Parlament die vergangenen fünf Jahre geführt, nun wechselt er in die Bundespolitik - und wird sogar als Kanzlerkandidat der SPD gehandelt.
Lange hatte Verhofstadt seine Entscheidung hinausgezögert, zuvor allerdings auch die fraktionsinterne Konkurrenz für den Posten weggebissen. Per Twitter-Video gab Verhofstadt nun bekannt: "In diesen turbulenten Zeiten, in denen Europa von Populisten und Nationalisten bedroht wird, brauchen wir Brückenbauer und Visionäre. Und ich will einer von ihnen sein."
Der 63-Jährige ist kein Unbekannter auf der europäischen Bühne: Er war unter anderem neun Jahre lang Premierminister seines Heimatlandes, kennt Brüssel also schon aus Sicht der Regierungschefs beim Europäischen Rat. Seit 2009 ist er EU-Abgeordneter.
Von EU-Gegnern gehasst
Ein leidenschaftlicher Europäer: Man kenne ihn ja als jemanden, der seine Meinung sagt, so Verhofstadt. Stimmt: Verhofstadt ist glühender Verfechter der Vision der "immer engeren Union", also einer EU, die so viel wie möglich gemeinsam, nicht national löst - oder in den Worten von Brexit-Macher und Europagegner Nigel Farage der Hohepriester des Europaparlaments: "Ein Fanatiker. Weil sie für die EU Flaggen, Hymnen, Armeen wollen. Sie sind ein EU-Nationalist."
Und dass ausgerechnet er, Verhofstadt, zum Brexit-Chefunterhändler des Europaparlaments ernannt wurde, ist in Farages Augen eine "Kriegserklärung gegen jedwede vernünftige Verhandlung". Verhofstadt kontert den Hass der EU-Gegner im Parlament gerne mit verbalen Kampfansagen - am liebsten gegen den Briten Farage. Dem rechnet er gerne seine miserable Anwesenheit im Parlament vor: "Sie sind nie da in den Ausschüssen, in denen sie sitzen sollten. Sie sagen, unser Abgeordnetengehalt sei ein Skandal und zahlen sich selbst eins, ohne dafür zu arbeiten."
Nigel Farage fehlte oft im Europaparlament - so auch bei der Debatte zum Brexit.
Auch gemäßigte Töne zu hören
In seiner Kandidatur gibt sich Verhofstadt nun allerdings gemäßigter: als kompromissbereiter Problemlöser - gestählt in der fragmentierten Innenpolitik des Mehrvölkerstaates Belgien, in dem ungleiche Koalition der Normalzustand sind.
"Belgien hat mich gelehrt dass Leidenschaft und Pragmatismus Hand in Hand gehen müssen, dass Kompromiss kein notwendiges Übel ist, sondern ein Weg, um kreative Lösungen für unsere Bürger zu erreichen", sagt er.
Alte Absprachen aufgekündigt
Mit seiner Kandidatur wirbelt der Liberale den Kampf um die Parlamentspräsidentschaft gehörig auf. Eigentlich sollte der Posten an die Christdemokraten gehen, so sieht es eine Vereinbarung mit ihrem Koalitionspartner, den Sozialdemokraten vor.
Doch die lehnen den Deal jetzt ab und haben einen eigenen Kandidaten aufgestellt. Ein italienisches Duell steht an: Der konservative Antonio Tajani gegen den sozialistischen Gianni Pittella.
Zieht keiner von beiden zurück, könnte am Ende Verhofstadt siegen, als Kompromisskandidat der genug bürgerliche, sozialdemokratische, grüne und linke Stimmen auf sich vereinen kann - und nicht auf die Stimmen der Rechtspopulisten im EU-Parlament angewiesen ist - ein Szenario, das unbedingt vermieden werden soll. Am 17. Januar wird gewählt. Es wird wohl ein langer Tag werden.