Großbritannien und die EU Nach der Wahl ist vor dem Brexit
Nach dem Wahlerfolg der britischen Konservativen ist der Weg für den EU-Austritt des Landes geebnet. Doch einfach wird es trotzdem nicht - auch der Chaos-Brexit ist noch nicht vom Tisch.
Noch ist Großbritannien Mitglied der EU. Doch der Platz von Premier Boris Johnson beim EU-Gipfel in Brüssel blieb wegen der britischen Parlamentswahl auch heute leer. Auch wenn viele Staats- und Regierungschefs der EU in der Vergangenheit den Austritt der Briten bedauerten, war heute so etwas wie Erleichterung zu spüren - Erleichterung, dass es nun eine klare Mehrheit im britischen Parlament gibt und ein Ende des Brexit-Dramas in Sicht ist.
Der Zeitplan für den Brexit ist auch Thema beim EU-Gipfel in Brüssel.
Abstimmungen in den Parlamenten
Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel glaubt, dass auch viele Briten, die in der EU bleiben wollen, Johnson gewählt haben. Weil auch sie es satt hätten, nicht zu wissen, wie es weitergeht und Klarheit wollten. Jetzt gebe es keine Entschuldigung mehr. Es sei Zeit, zu liefern. Auf dem Weg zum Brexit muss als nächstes das britische Unterhaus über den Austrittsvertrag mit der EU abstimmen. Ratspräsident Charles Michel drängt auf ein schnelles Votum. Es sei wichtig, möglichst bald Klarheit zu haben.
Aber auch das Europaparlament muss dem Austrittsabkommen noch zustimmen - Mitte Januar könnte es soweit sein. Am 31. Januar würde Großbritannien die EU dann nach fast 50 Jahren Mitgliedschaft geordnet verlassen. Viel ändern würde sich allerdings erstmal nicht. Denn es beginnt eine Übergangsphase, in der die EU und Großbritannien klären, wie ihre künftigen Beziehungen aussehen sollen.
Verhandlungen über Freihandelsabkommen
Viele erwarten schwierige und zähe Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen - die Zeit dafür ist sehr knapp. Bereits bis Ende des kommenden Jahres sollen sie abgeschlossen sein. Das heißt, es bleiben gerade mal elf Monate, rechnet David McAllister, Europaabgeordneter der CDU, vor: "Wenn man noch drei Monate abzieht, die man braucht, um die Zustimmung im britischen Unterhaus, im europäischen Parlament und im Rat zu besorgen, dann bleiben für die Verhandlungen effektiv sechs, sieben maximal acht Monate." Das sei sehr ambitioniert, meint McAllister.
Die britische Regierung könnte um eine Verlängerung der Übergangsphase bitten, doch ob Johnson diese Option ziehen würde, ist fraglich. Sollte er das nicht tun und die Verhandlungen bis Ende 2020 nicht beendet sein, droht erneut ein harter und chaotischer Brexit.
Eine neue Phase der EU?
Die EU jedenfalls ist nach Johnsons Wahlsieg bereit für eine neue Phase, sagt Ratspräsident Michel. Er hofft auf gute und loyale Verhandlungen mit London: "In Bezug auf den Brexit ist es nicht meine Absicht, basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit, etwas vorherzusagen. Aber ich hoffe, dass wir in der Lage sein werden, sehr hart mit der britischen Regierung zu arbeiten. Es sei wichtig, für Stabilität und Sicherheit zu sorgen, "nicht nur für die Bürger, sondern auch für die britischen und europäischen Unternehmen", so Michel.
Die Staats- und Regierungschefs wollen die künftigen Beziehungen zu Großbritannien so eng wie möglich gestalten. Ob das allerdings gelingt, wird wesentlich von Johnson abhängen.