EuGH-Gutachter Polens Justizreform widerspricht EU-Recht
Mehr als 20 polnische Richter waren aufgrund der Justizreform gegen ihren Willen in den Ruhestand geschickt worden. Ein EuGH-Gutachter sieht darin eine Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit.
Die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern in Polen verstößt nach Ansicht eines renommierten EU-Gutachters gegen EU-Recht. Die Reform verletze sowohl den Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern als auch ihre Unabhängigkeit, befand Evgeni Tanchev, einer der elf Generalanwälte des Europäischen Gerichtshofs, in Luxemburg.
Nach einer einstweiligen Verfügung des EuGH hatten die Richter ihre Arbeit im vergangenen Jahr bereits wieder aufgenommen. Die polnische Regierung hob das fragliche Gesetz vorläufigwieder auf. Konkret geht es um ein Gesetz, mit dem Polens nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) das Renteneintrittsalter oberster Richter von 70 auf 65 Jahre herabgesenkt hatte.
Die polnische Richterin Malgorzata Gersdorf war nach der Justizreform zwangspensioniert worden.
Reform als Mittel gegen missliebige Richter?
Kritiker warfen der Regierung vor, sie wolle mit der Reform missliebige Richter loswerden. Mehr als 20 Juristen waren durch die Reform in den Ruhestand geschickt worden. Eine mögliche Verlängerung der von der Pensionierung betroffenen Richter musste infolge der Reform von Präsident Andrzej Duda genehmigt werden. Die für die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Recht zuständige EU-Kommission sah die Unabhängigkeit der Justiz bedroht und klagte gegen das Gesetz beim EuGH.
Tanchev betonte nun, die Nichtabsetzbarkeit der Richter sei eine wesentliche Garantie für ihre Unabhängigkeit. Er bemängelte, die Reform sei geeignet, das Oberste Gericht und seine Richter äußeren Eingriffen und dem Druck des Präsidenten auszusetzen.
Vertrauensverlust der Öffentlichkeit
Richter dürften nur dann suspendiert oder aus dem Dienst entfernt werden, wenn sie arbeitsunfähig oder wegen ihres Verhaltens für das Amt ungeeignet seien. Eine vorzeitige Pensionierung sei nur auf Antrag des Betroffenen oder aus medizinischen Gründen möglich. Durch die plötzliche Entfernung einer großen Zahl von Richtern habe außerdem das Vertrauen der Öffentlichkeit gelitten.
Die Einschätzung eines Gutachters ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen.
Rechtssache C-619/18