Weg für EU-Grundlagenvertrag frei Brüssler Marathon glücklich im Ziel
Nach fast 36-stündigen Verhandlungen hat Bundeskanzlerin Merkel beim EU-Gipfel einen Durchbruch mit Beteiligung Polens erzielt. "Wir haben erreicht was wir wollten", sagte Merkel. Die EU sei aus dem "Stillstand herausgekommen", die Einigung ein "Gemeinschaftswerk".
Es ist ein mühsam erzielter Kompromiss, den die Staats- und Regierungschefs der EU seit kurz nach halb fünf Uhr heute morgen in die Kameras und Mikrofone der Journalisten verkünden. Knapp 36 Stunden dauerte der Verhandlungsmarathon in Brüssel, dann wurde öffentlich mitgeteilt, dass die EU-Staats- und Regierungschefs sich abschließend auf den Weg zu einem neuen EU-Grundlagenvertrag geeinigt hätten.
Aus dem "Stillstand herausgekommen"
Die Gespräche waren nicht nur lang, sie standen zwischenzeitlich auch immer wieder kurz vor einem Scheitern. Doch dann hatte Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin Angela Merkel eine Einigung mit Beteiligung Polens erzielt. "Es hat lange gedauert: Aber wir haben erreicht, was wir wollten", sagte Merkel nach Abschluss der Gespräche am Samstagmorgen. Die EU sei aus dem "Stillstand herausgekommen" und habe die Weichen für einen neuen EU-Vertrag gestellt. Die nun vorliegende Einigung ein "Gemeinschaftswerk".
Die Übereinkunft betrifft alle 27 Mitgliedstaaten. Polen hatte sich bei dem Gipfel lange hartnäckig geweigert, das Abstimmungsverfahren der doppelten Mehrheit einzuführen, und immer wieder mit seinem Veto gedroht. Die Verhandlungen seien schwierig gewesen, "weil die Kompromissbereitschaft aller bis aufs Ende ausgereizt wurde", sagte Merkel. "Was zählt ist, dass wir aus der Erstarrung herausgekommen sind."
Vertrag soll 2009 in Kraft treten
Der nun ausgehandelte Vertrag sei "sehr detailliert und sehr klar". Er zeige, "dass Europa am Ende zusammenkommt". Die Einigung ermögliche es, nun eine Regierungskonferenz einzuberufen und den Vertrag wie geplant im Jahr 2009 in Kraft treten zu lassen, sagte Merkel weiter.
Zum umstrittensten Punkt der Verhandlungen, der Einführung des Abstimmungsverfahrens der doppelten Mehrheit, sagte Merkel, dies werde ab 2014 mit einer Übergangszeit bis 2017 eingeführt. Dies war Bestandteil des Kompromisses mit Polen. "Man kann sagen, dass das ein weitgehender Kompromiss ist", sagte Merkel dazu. "Ich kann nur sagen, dass es gut ist, dass wir es geschafft haben."
Mit dem Reformvertrag wird ein neues Abstimmungsverfahren im EU-Ministerrat, der Vertretung der Mitgliedsstaaten, eingeführt - und damit ein Kernpunkt der von Frankreich und den Niederlanden abgelehnten EU-Verfassung aufgenommen.
Für Beschlüsse soll eine "doppelte Mehrheit" nötig sein: Die Stimmen von mindestens 55 Prozent der Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Ziel ist, einen Ausgleich zwischen bevölkerungsreichen Staaten wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien und den kleinen wie Dänemark, Irland oder Malta zu schaffen. Das mittelgroße Polen hatte dem Vertragsentwurf ursprünglich zwar zugestimmt, sah sich danach jedoch benachteiligt. Polen verlangte zwischenzeitlich eine "Quadratwurzel"-Regelung. Dabei wird das Stimmrecht eines Landes ermittelt, indem die Wurzel aus seiner Bevölkerungszahl gezogen wird.
Die 27 EU-Länder einigten sich beim Gipfel nach langen Verhandlungen darauf, das Abstimmungsverfahren der doppelten Mehrheit ab 2014 mit einer Übergangzeit bis 2017 einzuführen.
Der ausgehandelte Vertrag soll der EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten eine neue Grundlage geben und sie effizienter machen. In der EU wird demnach künftig die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta gelten; außerdem wird die EU mit dem Inkraftreten des Vertrages einen Hohen Vertreter für die Außenpolitik haben, der zugleich Vize-Präsident der EU-Kommission sein wird.
Merkel musste mit dem Äußersten drohen
In den zähen Verhandlungen hatte Polen mehrfach mit seinem Veto gedroht; die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hatte zwischenzeitlich angekündigt, den neuen Vertrag notfalls auch ohne Polen in die Wege zu leiten. Der neue Grundlagenvertrag soll die Verfassung ersetzen, die am Nein der Niederländer und Franzosen gescheitert war.