Syrien nach dem Erdbeben Hilfe kommt - aber nicht für alle
Nach dem Erdbeben im syrisch-türkischen Grenzgebiet sind Hunderttausende obdachlos und brauchen Hilfe. In Syrien kommt diese Hilfe nur schleppend an - wenn überhaupt. Dort sind viele Überlebende auf sich selbst gestellt.
Abdulrahman Mahammad, ein junger Syrer, hat schon zweimal sein Zuhause verloren. Aus seiner Heimatstadt Aleppo musste er wegen des Kriegs flüchten. In Idlib, auf der anderen Seite der Frontlinie, zerstörte das Erdbeben das Haus, in dem auch seine Wohnung lag.
Abdulrahman weiß nicht, wo er jetzt bleiben soll: "Wir haben nicht mal genug Geld fürs Nötigste. Du brauchst zehn Dollar am Tag, um durchzukommen, aber Du verdienst nur zwei Dollar. Wie soll man da sein Haus wieder aufbauen?"
Hilfskonvois nur bis zur Frontlinie
Auf dem Flughafen der syrischen Hauptstadt Damaskus landen Frachtflugzeuge mit Hilfsgütern, gestern auch zwei Maschinen aus der Europäischen Union. Im Laderaum: winterfeste Zelte, Notbetten, Heizgeräte. Hilfe, die schnell zu Überlebenden des Erdbebens nach Aleppo oder in die Küstenstadt Latakia transportiert werden kann, also in jene Gebiete, die die syrische Regierung kontrolliert.
Zu Abdulrahman in Idlib aber wird wohl kein winterfestes Zelt aus dieser Lieferung durchkommen. Denn bislang ist an der Frontlinie für Hilfskonvois Schluss. Die Kriegsparteien lassen sie nicht durch.
Hilfe für die Menschen in Idlib muss über den Umweg Türkei kommen. Das war schon vor dem Erdbeben so. Idlib ist die letzte Bastion der Aufständischen des syrischen Kriegs. Hierher sind mehr als zwei Millionen Menschen aus allen Teilen Syriens geflüchtet.
Zu wenig und zu spät
Seit Jahren harren sie in Lagern aus, sind auf Nothilfe der Vereinten Nationen angewiesen. Wegen des Erdbebens müssten jetzt jedoch viel mehr Nothilfen über die Grenze nach Syrien kommen, sagt Hakim Khaldi von der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen". "Aber das passiert nicht. Es wird genauso viel Hilfe nach Nordwestsyrien gebracht wie vor dem Erdbeben." Nämlich etwa 20 Lastwagen pro Tag.
Hilfe komme, aber zu wenig und zu spät. "Viele warten noch immer auf medizinische Versorgung", sagt Khaldi. Er koordiniert ein Team von Medizinern, die in Idlib Verletzte behandeln, operieren, Medikamente verteilen. Sie bereiten Trinkwasser auf, damit sich Cholera und andere Krankheiten nicht noch weiter ausbreiten.
Angsteinflößender als der Krieg
Auf beiden Seiten der Frontlinie ist das Leid groß. "Wir haben schon viel mitmachen müssen. Den Krieg und alles", sagt eine 39-jährige Mutter dreier Kinder in Latakia, dem von der Regierung kontrollierten Gebiet. Aber nichts mache so viel Angst wie das Erdbeben. Und dann immer wieder diese Nachbeben. "Beim Krieg", so sagt sie weiter, "konnten wir dorthin flüchten, wo keine Kämpfe sind, aber das Erdbeben ist überall und macht Angst."
Das Mietshaus, in dem ihre Wohnung liegt, droht einzustürzen. Jetzt hat sie mit ihren drei Kindern in einem Schulgebäude Obdach gefunden, zusammen mit 700 anderen, die ihre Wohnung verloren haben. Viele Häuser in Syrien sind nach zwölf Jahren Krieg ohnehin baufällig. Das ganze Land liegt am Boden.
"Frieden für Gesundheit"
Millionen Menschen leiden, sind krank, und auch die Helfer stoßen an ihre Grenzen. "Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, eine gute Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, wenn gleichzeitig der Konflikt ewig andauert", sagte Mike Ryan von der Weltgesundheitsorganisation vor einigen Tagen und brachte auf den Punkt, was den Menschen in Syrien wirklich helfen würde: "Wir brauchen Frieden für Gesundheit."