Juncker zur Lage der EU "Italien rettet Europas Ehre"
Der Euro soll in allen EU-Staaten eingeführt werden, forderte EU-Kommissionspräsident Juncker in seiner Grundsatzrede vor dem Europaparlament. Lobende Worte fand er für Italien - dieses rette im Mittelmeer "Europas Ehre." Auch den Streit mit Polen und Ungarn sprach er an.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat in seiner Grundsatzrede eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten gefordert. So sollen alle EU-Länder den Euro übernehmen. "Der Euro ist dazu bestimmt, die einheitliche Währung der EU als Ganzes zu sein", sagte er im EU-Parlament in Straßburg.
Um den Staaten zu helfen, schlug Juncker ein "Euro-Vorbereitungsinstrument" vor, das technische und auch finanzielle Hilfe bieten soll. Momentan besteht die EU aus 28 Staaten. Davon haben 19 Länder den Euro als offizielle Währung.
Alle EU-Staaten sind laut EU-Verträgen verpflichtet und berechtigt, der Gemeinschaftswährung beizutreten. Es gibt zwei Ausnahmen - Großbritannien und Dänemark. Schweden verwehrt sich ebenfalls gegen die Euro-Einführung, das wird von der Kommission aber geduldet. Begründung: Schweden sei 1995 der EU beigetreten, der Euro aber erst 1999 eingeführt worden.
Außerdem sollten alle EU-Staaten der Schengenzone ohne reguläre Grenzkontrollen beitreten, forderte Juncker. Zudem solle die EU weiter wachsen: Bis 2025 könnte sie um die 30 Mitglieder haben.
Mittlerweile gehören 23 EU-Mitglieder sowie Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein zum Schengen-Raum. Nicht - oder nicht vollständig dabei - sind die EU-Länder Irland, Bulgarien, Rumänien und Zypern.
Offen für Flüchtlinge
Für Flüchtlinge solle die Union weiter offen sein, betonte Juncker. Es müssten legale Migrationswege geschaffen und die skandalöse Situation in Flüchtlingslagern in Libyen beendet werden. Europa sei keine Festung und dürfe nie eine werden, sondern müsse weiterhin ein Kontinent der Hoffnung sein. 720.000 Asylbewerber seien im vergangenen Jahr in der EU aufgenommen worden. Juncker lobte Italien für seine Hartnäckigkeit und seine Großzügigkeit: "Im Mittelmeer rettet Italien Europas Ehre." Dafür erhielt er Beifall aus dem Parlament.
Allerdings müssten Flüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl konsequenter als bisher zurückgeschickt werden, damit den wirklich Hilfsbedürftigen geholfen werden könne. Er kündigte für Ende des Monats neue Vorschläge sowohl für legale Einwanderungen aber auch für Rückführungen an.
Mit Blick auf den Nachbarkontinent Afrika forderte Juncker mehr Geld von den EU-Regierungen für den sogenannten Treuhandfonds für Afrika. Der mit 2,7 Milliarden Euro dotierte Fonds werde vor allem aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert. Die Beiträge aller Mitgliedstaaten zusammen beliefen sich dagegen erst auf 150 Millionen Euro, kritisierte Juncker. "Der Fonds stößt nun an seine Grenzen."
Viele Flüchtlinge starten an der libyschen Küste Richtung Europa - oft in kaum seetüchtigen Booten. (Archivbild)
Wirtschaft: Positiv
Zum Zustand der Wirtschaft in der Europäischen Union äußerte sich Juncker positiv. Die Gemeinschaft erhole sich nach einem schweren Jahrzehnt, erklärte er. Die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit neun Jahren nicht mehr, das Wachstum halte seit fünf Jahren an.
Der EU-Kommissionspräsident sprach sich für eine engere Zusammenarbeit aus. Geplant sei unter anderem eine Strategie, die sicherstellen solle, dass die Industrie wettbewerbsfähig bleibe, sagte Juncker.
Zudem solle eine neue Behörde eingerichtet werden, welche die Einhaltung von Standards auf den Arbeitsmärkten überwache. Insbesondere müssten die Handelsbeziehungen mit anderen Ländern verbessert werden. "Europa ist offen für Handel, aber es muss auf Gegenseitigkeit beruhen." Juncker sprach sich für Verhandlungen mit Australien und Neuseeland aus, die bis 2019 zu Handelsabkommen führen sollten.
Unabhängige Justiz
Angesichts laufender Streitigkeiten mit Ungarn und Polen ermahnte er die Staaten zur Rechtsstaatlichkeit. Recht und Justiz müssen durch eine unabhängige Justiz in allen Mitgliedsstaaten gewährleistet sein. Das heiße auch, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs überall anzuerkennen. "Rechtsstaatlichkeit ist kein Recht in der Union, sie ist eine Pflicht", betonte Juncker.
Der Europäische Gerichtshof hatte jüngst befunden, dass ein 2015 mehrheitlich unter den EU-Staaten getroffener Beschluss zur Umverteilung von Flüchtlingen rechtens ist. Die Regierung in Budapest hatte jedoch verkündet, sich weiterhin gegen die Aufnahme von Flüchtlingen zu sperren. Die EU-Kommission stößt sich zudem an einer durch Polen angestoßene Justizreform, mit der nach Ansicht von Experten die Unabhängigkeit der Justiz untergraben wird.
Momentan keine Mitgliedschaft der Türkei
Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei schloss er für eine "absehbare Zeit" aus, unter anderem weil Menschenrechtsbedingungen nicht erfüllt würden. Er appellierte an das Land: "Journalisten gehören in Redaktionsstuben. Sie gehören nicht ins Gefängnis". Und weiter: "Lassen Sie unsere Journalisten frei, und nicht nur unsere."
Der Kommissionschef verwahrte sich gleichzeitig gegen Beschimpfungen europäischer Politiker durch Vertreter Ankaras: "Hören sie auf, unsere Staats- und Regierungschefs als Faschisten und Nazis zu beschimpfen."