Nach Misstrauensvotum Kann Johnson einfach so weitermachen?
Großbritanniens Premier Johnson will einen Schlussstrich "unter die Sache" ziehen. Aus der Opposition heißt es, Johnson werde dieses Jahr im Amt nicht überstehen. Die Aufforderung zum Rücktritt ist unüberhörbar.
Die Abstimmung hat Boris Johnson gewonnen. Aber was ist dieser Sieg tatsächlich wert? Das ist die große Debatte heute, und viele halten den Ausgang für einen Pyrrhussieg. Die Cartoons in den Zeitungen machen das überdeutlich. Da reckt Johnson zwar noch die Arme hoch und zeigt das Victory-Zeichen. Dann aber zerfließt er entweder wie in einem Werk von Salvador Dali auf den Steinplatten vor der Haustür der 10 Downing Street oder bricht vor der Dispatch-Box, dem Rednerpult im Unterhaus, zusammen.
Der Premier selbst tritt dagegen die Flucht nach vorne an. Bei der Kabinettssitzung am Vormittag sagte er: "Dank an alle für eure gute Arbeit gestern. Das war ein sehr wichtiger Tag. Denn wir sind nun in der Lage, einen Schlussstrich unter die Sache zu ziehen, über die unsere Gegner sprechen wollen." Man könne mit den "Dingen weitermachen, die den Menschen in diesem Land wichtig sind: was wir tun können, um ihnen zu helfen und das Land voranzubringen."
Ob es Johnson gelingen wird, einfach weiterzumachen, muss sich aber noch zeigen.
Aufforderung zum Rücktritt ist unüberhörbar
Ende Juni steht der nächste wichtige Termin an, wenn es Nachwahlen in zwei Wahlkreisen gibt, die bisher von Konservativen gehalten wurden. Umfragen zufolge könnten die Torys beide Wahlkreise verlieren. Spätestens dann dürfte der Druck auf den Premier weiter zunehmen.
Die Aufforderung zum Rücktritt ist unüberhörbar. Sie kommt unter anderem auch vom ehemaligen Parteichef der Torys, William Hague. Er schreibt in der "Times", dass das Vertrauen in den Premier kollabiert und Johnsons Position unhaltbar sei. Johnson müsse der Partei und dem Land deshalb nun weitere Qualen ersparen.
Sorgen über Vision der Partei
Das Regieren wird für Johnson zweifellos schwierig. Denn jetzt ist offiziell, wie viele Gegner er hat und wie zerrissen die Partei ist. Tobias Ellwood, konservativer Abgeordneter und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, klang am Morgen in der BBC nicht allzu zuversichtlich: "Für den Moment akzeptiere ich die demokratische Entscheidung und ermutige alle Kolleginnen und Kollegen, es ebenso zu halten. Aber 40 Prozent von uns haben dem Premier das Misstrauen ausgesprochen." Es gebe nun viel Arbeit, die Partei zu einen.
"Der Staatssekretär für Brexit-Chancen, Jacob Rees-Mogg, tut so, also sei das hier eine Verschwörung von Brexit-Gegnern. Das ist eine Taktik der Irreführung." 150 Kollegen aus allen Flügeln der Partei machten sich Sorgen über die Richtung und die Vision der Partei, so Ellwood.
"Johnson wird dieses Jahr nicht überstehen"
Johnson wird möglicherweise sein Kabinett umbilden, um Gegner abzusetzen und loyale Kräfte zu befördern. Allerdings glaubt die Opposition nicht, dass das einen großen Unterschied machen wird.
Der Labour-Abgeordnete Chris Bryant meinte in der BBC: "Es ist nicht so, als hätte er eine erstklassige Ministerriege. Das ist ein ziemlich farbloses, inkompetentes Kabinett. Und er kann niemanden berufen, um es besser zu machen. Es kann für die Regierung nur noch schlechter werden." Es werde vielleicht noch einige Monate weitergehen. "Aber Johnson wird dieses Jahr nicht mehr überstehen", so Bryant.