Boris Johnson

Nach Misstrauensvotum gegen Johnson Der angeschlagene Sieger

Stand: 07.06.2022 08:12 Uhr

Großbritanniens Premier Johnson hat das Misstrauensvotum überstanden - vorerst. Denn rund 40 Prozent seiner Fraktion sprachen sich gegen ihn aus. Dieser Warnschuss könnte der Anfang von Johnsons Ende sein.


Auch wenn die Zahlen bedeuten, dass rund 40 Prozent der konservativen Fraktionsmitglieder ihrem Partei- und Regierungschef Johnson nicht mehr vertrauen, brach Jubel aus, als der Abgeordnete Graham Brady das Ergebnis verkündete. 211 Abgeordnete hatten Johnson das Vertrauen ausgesprochen, 148 nicht - damit habe die Fraktion weiter Vertrauen in ihren Parteichef.

Johnson: "Positives, entschiedenes Ergebnis"

Johnson hatte das Misstrauensvotum im Vorfeld als Medienrummel abgetan und als Befreiungsschlag bezeichnet, der die Debatte um ihn beenden werde. Kurz vor der Abstimmung hatte er sich persönlich an seine Fraktion gewandt, um Vertrauen geworben und betont, mit ihm an der Spitze würden die Konservativen auch die nächsten Parlamentswahlen gewinnen.

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Als Erfolge seiner Regierung nannte er unter anderem Errungenschaften durch den Brexit, den frühen Start der Covid-Impfkampagne und dass Großbritannien als erstes europäisches Land Waffen an die Ukraine geschickt habe. Johnson betonte zudem, angesichts des drohenden Diktatfriedens im Ukraine-Krieg sei nicht der Augenblick, Großbritannien durch ein komplett unnötiges innenpolitisches Drama zu schwächen.

Und auch die unerwartet hohe Zahl der Rebellen, die in der Abstimmung ihren Unmut ausdrückten, änderte nichts an Johnsons Haltung: "Das ist ein sehr gutes, positives und entschiedenes Ergebnis. Jetzt können wir das alles hinter uns lassen, uns zusammenraufen und uns darauf konzentrieren, wieder politisch abzuliefern."

60 Prozent der Briten fordern Rücktritt

Doch das mit dem Zusammenraufen dürfte ein frommer Wunsch von Johnson bleiben. Nach der Abstimmung legten Johnsons Kritiker nach, wie der Abgeordnete Andrew Bridgen. Angesichts der schlechten öffentlichen Meinung müsse das Kabinett den Premierminister jetzt zum Rücktritt drängen. Aktuelle Meinungsumfragen zeigen, dass 60 Prozent der Briten meinen, Johnson solle sein Amt niederlegen. Bridgen prophezeite dann auch schon, in den Parteitag im Herbst würden die Konservativen mit einem neuen Mann oder einer neuen Frau an der Spitze gehen.

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Johnsons Unterstützer dagegen wollten der Schlappe keine Bedeutung beimessen. Der Brexit-Minister Jacob Rees-Mogg erklärte, eine Stimme Mehrheit hätte in einer Demokratie bereits ausgereicht, um das Vertrauen in Johnson zu bestätigen.

Doch politische Beobachter, wie Anand Menon vom Thinktank "UK in a Changing Europe" sind überzeugt, dass Johnson durch das Ergebnis deutlich angeschlagen ist: "Das Ausmaß der Rebellion gegen den Premierminister hat nicht nur die Befürchtungen der Johnson-Unterstützer übertroffen, sondern auch neutrale Beobachter überrascht. Über 140 Stimmen gegen ihn, das hat ihn erheblich geschwächt."

Druck auf Johnson könnte steigen

Bei den drei vorangegangenen konservativen Premierministerinnen und Premierministern erwiesen sich überstandene Misstrauensabstimmungen im Nachhinein als Anfang vom Ende. Margaret Thatcher trat eine Woche nach der gewonnenen Abstimmung zurück, John Major wurde bei den folgenden Wahlen vernichtend von Tony Blair von der Labour-Party geschlagen und Theresa May warf ein halbes Jahr nach einem gewonnenen Misstrauensvotum das Handtuch.

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Nach dem deutlichen Warnschuss dürfte für Johnson die Regierungsführung in den kommenden Wochen und Monaten schwierig werden. Sollten die beiden Nachwahlen in zwei bisher konservativ geführten Wahlkreisen in Yorkshire und Devon Ende Juni verloren gehen, könnte der Druck auf Johnson, zurückzutreten, weiter zunehmen. Allerdings sehen die Statuten der konservativen Partei vor, dass es nun innerhalb eines Jahres keine neue Misstrauensabstimmung gegen Johnson geben darf. Doch die Rebellen haben schon angedeutet, dass diese Regel nicht in Stein gemeißelt sei.

Hinter den Kulissen dürften nun Gespräche anlaufen, wer sich gegen Johnson in Position bringen könnte. In Frage kommen Kabinettsmitglieder wie Finanzminister Rishi Sunak oder Außenministerin Liz Truss, die sich vor der Abstimmung beide hinter Johnson gestellt hatten. Klare Führungsambitionen hat auch der ehemalige Außenminister Jeremy Hunt, der gestern gegen Johnson stimmte. Hunt hatte nach dem Rücktritt von Premierministerin May 2019 bei der Abstimmung über die neue Parteiführung knapp gegen Johnson verloren.

Gabi Biesinger, Gabi Biesinger, ARD London, 07.06.2022 07:07 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 07. Juni 2022 um 06:05 Uhr, 07:00 Uhr und 07:25 Uhr.