Indigene gegen Bolsonaro "Ein Notruf für das Leben"
Brasiliens Präsident will illegale Landnahmen nachträglich legalisieren und den Bergbau in Schutzgebieten ermöglichen. Die Indigenen führen den Protest gegen Bolsonaro an. Und sie wollen ihre Interessen im Parlament vertreten.
Sie sind aus allen Teilen Brasiliens gekommen: aus dem Amazonas-Gebiet, von der Küste, aus dem Zentrum und den Städten. Mit kunstvollem Federschmuck und Körperbemalung, den Rhythmen und Gesängen von mehr als 40 verschiedenen indigenen Völkern des Landes. Sie alle eint der Protest gegen die Regierung Bolsonaro.
"Die Bolsonaro-Regierung ist eine korrupte Regierung. Sie zerstört indigenes Land, verschmutzt unsere Flüsse und tötet unsere Leute, nicht nur in meinem Bundesstaat Pará, sondern in ganz Brasilien", sagt Samuel Arapium. Und Cecina Xavante aus Mato Grosso meint: "Das ist ein Notruf für das Leben, ein Akt gegen diese Genozid-Regierung, die ständig von Fortschritt redet, aber deren Idee von Fortschritt Leben zerstört und Menschenrechte verletzt."
Illegale Landnahmen sollen legalisiert werden
Pará und Mato Grosso sind die zwei Bundestaaten, in denen am meisten Regenwald vernichtet wurde, seit Bolsonaro sein Amt antrat. Immer wieder dringen Holzfäller, Goldgräber, Viehzüchter auch in indigene Territorien ein - mit Rückendeckung Bolsonaros. Seine Regierung hat ein ganzes Paket an Gesetzen ins Parlament eingebracht, dass aus Sicht der Indigenen die Umweltzerstörung noch weiter anheizen würde.
Geplant ist unter anderem, illegale Landnahmen nachträglich zu legalisieren, die Ausweisung neuer indigener Territorien soll gestoppt werden und Bergbau in Schutzgebieten ermöglicht werden.
Eine Gruppe Indigener bei einem Protest in Brasilia gegen den Präsidenten.
Kalium-Abbau auf indigenen Territorien
Dieses Gesetz, das die Nummer "PL 191" trägt, gewinnt aktuell neue Brisanz. Denn Bolsonaro will es nutzen, um in indigenen Gebieten Kalium abzubauen, das zur Düngemittelproduktion gebraucht wird. Durch den Ukraine-Krieg sei eine Knappheit entstanden, argumentiert Bolsonaro. Bisher importierte Brasilien Kunstdünger vor allem aus Russland und Weißrussland.
Bolsonaro nutze den Krieg als Vorwand, um Bergbau auf indigenen Territorien voranzutreiben, sagt Marcelo Tembé. Dabei lägen dort gar keine großen Vorkommen. "Wir werden bis zum letzten Indigenen kämpfen, um unsere Territorien zu verteidigen, unsere Mutter Erde, die uns heilig ist. Wir sagen nein zum Bergbau, nein zum Angriff auf unser Land, Bolsonaro raus."
Gegen zunehmende Armut
Auch in anderen Städten des Landes wurde gestern demonstriert. Es waren vor allem Gewerkschaftler und soziale Bewegungen, die auf die Straße gingen gegen steigende Preise, fehlende Arbeitsplätze und zunehmende Armut. Doch wichtige Stimmen der Opposition beteiligten sich nicht am Aufruf. Es waren vor allem die Indigenen in Brasilia, die den Protest anführten.
Einen Tag zuvor, auf dem großen, indigenen Protestcamp "Terra Livre", das derzeit ebenfalls in Brasiliens Hauptstadt stattfindet, schallt es von der Bühne: "Wir geben unseren Leuten die Stimme, Bolsonaro raus."
Die Präsidentin des indigenen Dachverband APIB, Sonia Guajajara, kandidiert bei den bevorstehenden Wahlen.
Indigene Frauen kandidieren
Rund ein Dutzend Frauen verschiedener Ethnien stehen dort Hand in Hand, mit einem gemeinsamen Plan: Sie alle kandidieren bei den bevorstehenden Wahlen als Kandidatinnen, auf lokaler oder Bundesebene - wie die bekannte Aktivistin und Präsidentin des indigenen Dachverbands APIB, Sonia Guajajara.
Der Konflikt um Land spitze sich zu, sagt sie. "Bolsonaro ist die Stimme der Sektoren, die nur an ihren Gewinn denken und das bedroht nicht nur uns Indigene." Es sei die Verantwortung aller, sich dem zu widersetzen.
Kampf für die Biodiversität
Die Indigene schützten die Biodiversität, dafür würden sie bedroht: "Aber wenn unsere Rechte gefährdet sind, ist es auch diese Biodiversität." Ohne die Indigenen werde es keine Lösung der Klimakrise geben. "Dafür treten wir an, als Frauen, auf Augenhöhe, auch in der Politik. Wir brauchen die Unterstützung dieser Gesellschaft, dass sie versteht, unser Kampf ist auch ihr Kampf", sagt Guajajara.
Die Hoffnung, dass der Rechtspopulist bei den Wahlen im Oktober eine Niederlage erlebt, ist groß. Doch auch, wenn der linke Ex-Präsident Lula da Silva die Wahlen für sich entscheiden würde, könne niemand darauf vertrauen, dass er die Interessen der Indigenen vertrete, sagen die indigenen Kandidatinnen. Seit Rückkehr zur Demokratie haben es nur zwei Indigene in Brasiliens Parlament geschafft - das soll sich nun ändern.