Streit um Zollunion Weiterer Warnschuss für May?
Großbritannien soll auch die Zollunion mit der EU verlassen - dabei bleibt Premierministerin May. Doch der Widerstand im Parlament wächst. Nach dem Oberhaus droht ihr auch im Unterhaus eine Niederlage.
Der erste Warnschuss für Theresa May kam in der vergangenen Woche aus dem Oberhaus. Mit 348 zu 225 Stimmen forderten die Lords die konservative Regierung auf, alles dafür zu tun, dass Großbritannien nach dem Austritt aus der EU zumindest in der europäischen Zollunion bleibt. Auch zahlreiche konservative Lords stimmten mit der Opposition und damit gegen die eigene Premierministerin, die seit Monaten darauf beharrt, dass das Land sowohl aus dem europäischen Binnenmarkt als auch aus der Zollunion austritt.
Zollunion - die große Unbekannte
Lord John Kerr war einer von denen, die für den Verbleib in der Zollunion stimmten: "Ich kann mich an keine Debatte über die Zollunion vor dem Referendum erinnern. Das Land hat damals mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt, aber niemand kann sagen, dass er damals wissend dafür gestimmt habe, auch die Zollunion zu verlassen."
Eigentlich hat bis vor kurzem kaum jemand gewusst, dass es so etwas wie eine europäische Zollunion gibt. Als Mitglied in der EU war Großbritannien automatisch Angehöriger eines Bundes von Staaten, die nach außen hin - im Handel mit Drittstaaten - die gleichen Zölle erheben. Die überzeugten Brexiters wollen mit dieser Zollunion aber nichts mehr zu tun haben, weil sie nur so eigene Handelsabkommen schließen und damit auch eigene Zollvereinbarungen treffen können.
Weitere Niederlage für May?
Die Labour-Opposition und auch einige EU-freundliche Konservative fühlen sich nach dem Beschluss des Oberhauses nun ermutigt, diese Auseinandersetzung auch in das letztlich entscheidende Unterhaus der gewählten Abgeordneten zu tragen. Sie haben für heute eine Unterhausdebatte über die Frage der Zollunion durchgesetzt - mit anschließender Abstimmung.
Zu den Initiatoren gehört auch die frühere konservative Bildungsministerin Nicky Morgan. "Ich will das richtige Brexit-Abkommen für unser Land. Niemand würde es uns danken, wenn wir auf der irischen Insel wieder eine Grenze bauen und die Arbeitsplätze unserer Industrie bedrohen."
Es ist nicht nur der zollfreie Zugang zum europäischen Markt, den die Befürworter der Zollunion behalten wollen. Sie wollen auch vermeiden, dass der alte Konflikt in Nordirland wieder ausbricht, wenn plötzlich eine Zollgrenze zwischen dem britischen Norden und der Republik Irland errichtet wird, eine EU-Außengrenze dort, wo es jetzt keine spürbare Grenze mehr gibt.
Auch im britischen Unterhaus formiert sich Widerstand gegen die Brexit-Pläne der Regierung. Hier ein Archivbild vom 16.04.2018.
Premierministerin bleibt hart
Trotz all dieser Argumente: Die Premierministerin wiederholte auch gestern noch einmal, Großbritannien werde nicht nur den Binnenmarkt verlassen, sondern auch die Zollunion. Dafür hätten die Briten votiert, so May. Gut möglich, dass nach dem Oberhaus heute auch das Unterhaus der Premierministerin eine Niederlage bereitet und mit Mehrheit für den Verbleib in der Zollunion stimmt.
Noch wird sie darüber nicht stürzen, denn die heutige Entschließung bindet die Regierung nicht. Erst in etwa einem Monat wird es zum Schwur kommen. Dann kommt das Brexit-Gesetz aus dem Oberhaus zurück ins Unterhaus, und dann findet hier die entscheidende Abstimmung über einen harten oder weichen Brexit statt. Gut möglich, dass dann die Premierministerin die Entscheidung mit der Vertrauensfrage verbindet.
Dann steht nicht nur die Mitgliedschaft in der Zollunion auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft der Konservativen als Regierungspartei.