Fünf Jahre Minsker Abkommen Was ist die Vereinbarung heute noch wert?
Vor fünf Jahren wurde das Minsker Abkommen verabschiedet. Seitdem hat es einige Fortschritte im Ukraine-Konflikt gegeben. Doch viele der Ziele blieben unerfüllt. Nun werden Rufe laut, die Vereinbarung zu überarbeiten.
Beinahe pausenlos berichtete das russische Fernsehen aus Minsk. Der belarussischen Hauptstadt, wo sich im "Palast der Unabhängigkeit" die Staatschefs Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine trafen: Merkel, Hollande, Putin und Poroschenko. Auch Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken waren dabei. Am Morgen des 12. Februar 2015 hieß es: "Zehn Stunden laufen die Verhandlungen in Minsk nun schon. Von ihnen hängt nicht nur das Schicksal der Ukraine ab, sondern die Sicherheit in ganz Europa."
Es sollte noch viele weitere Stunden dauern, bis eine unterschriftsreife Vereinbarung auf dem Tisch lag - Minsk II. Ein 13 Punkte umfassendes Abkommen, das die heftigen Kämpfe im Osten der Ukraine durch politische Prozesse beenden - und langfristig für Frieden sorgen - sollte. Der Weg dahin: ein Nervenkrieg, sagen Beobachter. Die Zeit danach: ein Pfad der Enttäuschungen.
Kernpunkte unmittelbar nicht eingehalten
Denn die im ersten Punkt vereinbarte Waffenruhe hielt schon in den ersten Tagen nicht. Von der Einhaltung weiterer Punkte - wie dem Abzug schwerer Waffen und der Errichtung einer entmilitarisierten Pufferzone entlang der mehr als 400 km langen Frontlinie - ganz zu schweigen. Dennoch weigerten sich nicht nur Diplomaten, Minsk II für gescheitert zu erklären. Auch der renommierte Kiewer Politologe Wolodymyr Fessenko rief zwei Jahre nach Unterzeichnung des Abkommens dazu auf, abzuwägen:
Ich kann nicht sagen, dass die Minsker Vereinbarungen gar nicht funktionieren. Wenn wir die Konfrontationslinie betrachten, dann wird deutlich, dass sie sich nicht mehr verändert. Das heißt: die Situation hat sich innerhalb von zwei Jahren stabilisiert. Es gibt keine massiven Kampfhandlungen entlang der Frontlinie.
Tatsächlich blieben nach einer letzten Offensive pro-russischer Kämpfer auf den Ort Debalzewe kurz nach Unterzeichnung des Abkommens weitere, größere Eskalationen aus. Regelmäßige Schusswechsel prägen aber auch heute noch den Alltag entlang der Frontlinie. Noch immer gibt es Todesopfer. Nach UN-Angaben sind es seit Ausbruch der Kämpfe im Donbass etwa 14.000.
Neue Hoffnung durch Selinskyj
Erste Hoffnungen, dass sich doch wieder etwas bewegen kann im festgefahren Minsker Friedensprozess kamen im vergangenen Jahr - auf mit dem neuen ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskyj. Der erklärte gleich nach seinem Wahlsieg:
Wir werden den Minsker Prozess fortsetzen und ihn neu starten. Und alles dafür tun, dass die Waffenruhe eingehalten wird."
Seitdem ist einiges geschehen: die erfolgreiche Entflechtung der Truppen in drei Orten entlang der Konfliktlinie, der Austausch von Gefangenen zwischen der Ukraine und Russland sowie den selbsternannten Volksrepubliken und - nicht zuletzt - ein erneutes Treffen im Normandie-Format in Paris, bei dem Selenskyj und Putin sich unter Vermittlung Merkels und Macrons erstmals persönlich begegnet sind.
Selenskyj will Minsker Abkommen umschreiben
Doch der rasante Fahrplan des neuen Präsidenten stößt innerhalb der Ukraine auch auf Gegenwind. Zu gering das Vertrauen in Russland und die von Moskau gestützten Separatisten, zu groß die Angst vor dem endgültigen Verlust des Donbass. Und noch immer sind sich Russland und die Ukraine uneinig darüber, in welcher Reihenfolge weitere, wesentliche Punkte umgesetzt werden sollen. Selenskyj fordert daher - 5 Jahre nach Unterzeichnung - eine Überarbeitung des Minsker Abkommens.
Ich bin mir sicher, dass wir einige Punkte verändern können und auch verändern werden. Denn eine Übergabe der Kontrolle über die ukrainische Grenze erst nach der Durchführung von Wahlen in den besetzten Gebieten entspricht sicher nicht unserer Position.