Macron dankt Helfern in Annecy "Ohne Sie hätte viel Schlimmeres passieren können"
Nach der Attacke in Annecy ist das Entsetzen weiter groß. Präsident Macron besuchte die Opfer und dankte den Helfern - darunter auch einem Mann, der sich dem Angreifer entgegengestellt hatte.
In der Präfektur von Annecy sind die Polizistinnen und Rettungssanitäter versammelt, die beim Messerangriff in Annecy im Einsatz waren. Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte schütteln ihnen die Hände. "Ohne Sie hätte noch viel Schlimmeres passieren können", sagt der Präsident in seiner Ansprache. "Jeder und jede von Ihnen war auf dem Posten und hat seine Rolle ausgefüllt. Bemerkenswert. Ihre Professionalität, Ihre Tatkraft." So hätten sie verhindert, dass weitere Verbrechen begangen wurden. Auf diese Einsatzbereitschaft sei er sehr stolz.
Unter den Menschen in der Präfektur ist auch ein junger Mann mit blauem T-Shirt und Trikolore auf dem Ärmel - bereits bekannt als "le Héros au sac à dos", "der Held mit dem Rucksack". Er hatte sich gestern dem Täter entgegengestellt, den Rucksack vor dem Körper. So drängte er ihn vom Spielplatz ab und verhinderte, dass er weitere Kinder angreift.
Er sei auf einer neun Monate langen Reise durch Frankreich, von Kathedrale zu Kathedrale, sagte Henri, ein gläubiger Katholik, im Interview mit dem Fernsehsender BFM. "Leider hat sich meine Reise mit dieser blutigen Tat gekreuzt. Ich habe versucht zu handeln, wie jeder Franzose gehandelt hätte; ich bin meinem Instinkt gefolgt und habe versucht, diese Kinder zu schützen."
Vier Kleinkinder verletzt
Vier kleine Kinder hatte der 31-jährige Syrer davor schon schwer verletzt, darunter ein englisches und ein niederländisches Kind. Auch zwei ältere Männer hatten Verletzungen davon getragen. Vor dem Treffen mit den Einsatzkräften hatte das Präsidentenpaar die Opfer des Angriffs im Krankenhaus besucht.
Der mutmaßliche Täter wurde heute eingehend psychologisch untersucht. Von einem terroristischen Hintergrund geht die Staatsanwaltschaft aktuell nicht aus. Abdalmasih H. war im vergangenen November nach Frankreich gekommen und hatte Asyl beantragt; erst vor wenigen Tagen wurde der Antrag abgelehnt.
Zuvor hatte er zehn Jahre in Schweden gelebt und dort einen Status als anerkannter Flüchtling. Seine Mutter, die in den USA lebt, sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass er unter einer schweren Depression leide. Er habe darunter gelitten, dass sein Antrag, schwedischer Staatsbürger zu werden, mehrfach abgelehnt wurde.
Debatte über Asylrecht
Der Anschlag in Annecy hat in Frankreich eine neue Debatte über die Immigration ausgelöst. Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtspopulistischen Rassemblement National, kritisierte das viel zu lockere französische Asylrecht. "Wir müssen das Asylrecht deutlich einschränken und nach echten Kriterien ausrichten", forderte sie. "Die heute geltenden Kriterien sind bis ins Extreme ausgeweitet worden."
Bis zu einen Monat nach der Ablehnung hätten Asylbewerber das Recht, Beschwerde dagegen einzulegen, sagte Regierungssprecher Olivier Véran im Radiosender France Info. Die Forderungen von rechter Seite, Asylbewerber schneller abzuschieben liefen also ins Leere. "Die prinzipielle Frage, auf die wir gemeinsam eine Antwort finden müssen, ist doch vielmehr, was mit einem Menschen passiert, damit er eine solche Tat begeht."
Mit grundsätzlichen Worten versuchte Finanzminister Bruno Le Maire die neu entflammte Einwanderungsdebatte abzuräumen. Heute sei nicht der Augenblick für Politik, sondern der Augenblick der Nation. "Jetzt ständig neue Kommentare abzugeben und Lärm zu machen, in einem Moment, wo Kinder zwischen Leben und Tod schweben, ist eine Form der Unanständigkeit."
Und Henri, der junge Mann mit dem Rucksack, kann den Trubel um seine Person überhaupt nicht verstehen. Nationaler Held - die Bezeichnung sei falsch. "Die Wahrheit ist: Jeder hätte so handeln müssen", sagt er. "Und ich war einfach gerade an dieser Stelle."