Nach Anschlag in Annecy Attacke löst neue Debatte um Zuwanderung aus
Die Attacke in Annecy hat in Frankreich eine neue Debatte über Migration entfacht. Für rechte Politiker steht fest: Eine unkontrollierte Massenzuwanderung sei Schuld an solchen Vorfällen.
Nach dem Anschlag in Annecy haben vor allem konservative und sehr rechte Politikerinnen und Politiker direkt reagiert. Eine unkontrollierte Massenzuwanderung nach Frankreich sei schuld an solchen Vorfällen, sagte Olivier Malics, Fraktionschef der konservativen Partei Les Républicains im französischen Parlament. "Jedes Mal hat das Übel dieselbe Ursache", erklärte er, eine Einwanderung, die völlig außer Kontrolle geraten sei. "Ein Zustrom von Menschen, den wir überhaupt nicht mehr beherrschen."
Wie üblich noch schärfere Kritik kam von der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN). Frankreich müsse wieder die Kontrolle über die Einwanderung übernehmen, forderte Vizeparteichef David Rachline und gab den EU-Regeln die Schuld. Im Fernsehsender BFM klagte die RN-Abgeordnete Laure Lavalette, dass Migranten wie der Täter von Annecy nicht konsequent abgeschoben würden.
"Das ganze Land steht unter Schock"
Auf eine Diskussion über das Thema Immigration ließ sich Ministerpräsidentin Élisabeth Borne nicht ein. Nach dem Anschlag war sie direkt nach Annecy geflogen. Bei ihrem Auftritt dort sprach sie ihr Mitgefühl für die Opfer und ihre Angehörigen aus. "Wir sind erschüttert von dieser niederträchtigen und abscheulichen Tat", sagte sie. "Wenn Kinder zu Opfern werden, dann berührt uns das, so denke ich, alle zutiefst. Das ganze Land steht unter Schock."
Besonders unter Schock stehen natürlich die Einwohnerinnen und Einwohner von Annecy, einer Stadt in der französischen Alpenregion. Diesen 8. Juni würden die Menschen hier in trauriger Erinnerung behalten, sagte Bürgermeister François Astorg von der grünen Partei. "Wir verurteilen diese furchtbare Tat, und ich glaube, dass sich alle meinen Wünschen anschließen, dass die Opfer möglichst schnell geheilt werden - und auch an die Wünsche für ihre Angehörigen."
Asylantrag in Frankreich abgelehnt
Am Donnerstagmorgen, kurz nach 9:30 Uhr, war ein syrischer Staatsbürger auf einen Spielplatz in der Nähe des Sees von Annecy gestürmt. Mit einem Messer verletzte er sechs Menschen schwer, darunter vier Kinder.
Der Ex-Profifußballer Anthony Le Tallec war gerade am Seeufer joggen und wurde Zeuge des Anschlags, wie er hinterher auf Instagram schilderte. "Da hat mir einer zugerufen: 'Laufen Sie weg! Da ist einer, der ersticht alle möglichen Menschen, der ersticht Kinder, laufen Sie! Das ist so schlimm, Kinder zu verletzen. Unglaublich!"
Die Polizei stoppte den Täter und nahm ihn fest. Der 31-jährige Mann hat zehn Jahre in Schweden gelebt, zuletzt als dort anerkannter Asylbewerber. In Frankreich stellte er im November ebenfalls einen Asylantrag, der vor einigen Tagen abgelehnt wurde, weil er diesen Status schon in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat.
Staatsanwältin: Kein Terroranschlag
Nach ersten Ermittlungen ist nicht von einem Terroranschlag auszugehen, sagte die zuständige Staatsanwältin Line Bonnet-Mathis. "Es gibt kein offensichtliches terroristisches Motiv. Der Anti-Terror-Staatsanwalt prüft aktuell die Vorgänge. Das ist in solchen Fällen üblich. Aktuell haben wir aber keine Hinweise auf einen möglichen terroristischen Hintergrund." Auch Alkohol oder Drogen seien nicht im Spiel gewesen. Der Syrer war den Behörden wegen anderer Straftaten nicht bekannt.
Er soll sich selbst als christlich bezeichnet haben - ein interessantes Detail im Zusammenhang mit der neuen Debatte über die Immigration. Denn die konservative LR-Partei hatte sich während der Flüchtlingskrise 2015/2016 für die Zuwanderung christlicher Syrerinnen und Syrer ausgesprochen, womit der Reporter von France Info LR-Fraktionschef Malics konfrontierte. Das Thema sei die Masse der Menschen, die nach Frankreich kämen, wich Malics aus.
Eric Zemmour, einer der Kandidaten bei der letzten Präsidentschaftswahl, zweifelte grundsätzlich, dass es sich bei dem Täter um einen Christen handle. Das könne ja jeder behaupten, sagte der extrem rechts stehende Politiker.