Berichte zum Kauf des Senders Hat Orban Euronews gekapert?
Erst hat Viktor Orban die ungarischen Medien umgebaut - nun soll er es auf einen internationalen Sender abgesehen haben: Euronews. Am Kauf des Mediums soll laut Recherchen auch ein Fonds der ungarischen Regierung beteiligt gewesen sein.
Der ungarische Premierminister Viktor Orban wurde viel dafür kritisiert, dass er die ungarische Medienlandschaft zu seinen Gunsten umgebaut habe. Schätzungen zufolge gehen etwa 80 Prozent des gesamten Umsatzes des ungarischen Pressemarkts an Medien, die Orban treu sind. Kritische Medien wurden oft von staatlichen Zuschüssen und vom Anzeigenmarkt abgekoppelt, in den finanziellen Ruin getrieben und dann von Geschäftsleuten übernommen, die Orban nahestehen.
Jetzt gibt es möglicherweise den ersten Angriff der ungarischen Regierung auf ein internationales Medium. Euronews wurde von einem portugiesischen Geschäftsmann gekauft - beteiligt soll aber auch ein Fonds der ungarischen Regierung sein.
Das zeigt eine investigative Recherche aus Ungarn, genauer gesagt von der unabhängigen ungarischen Investigativ-Rechercheplattform Direkt36. An sie hatte sich ein anonymer Informant gewandt, mit Dokumenten, die zeigen sollen, dass ein Staatsfonds der ungarischen Regierung den französischen Sender Euronews gekauft hat, zumindest einen Teil davon.
Ein Drittel der Kaufsumme soll aus Ungarn kommen
Andras Pethö, Mitbegründer von Direkt36, sagt, sie hätten "vertrauliche Dokumente über den Kauf" bekommen. "Sie zeigen, dass Euronews für 150 Millionen Euro verkauft wurde. Dabei kamen 45 Millionen, also knapp ein Drittel, von einem staatlichen ungarischen Fonds mit dem Namen Szechenyi-Fonds." Der Szechenyi-Fonds gehörte ursprünglich dem ungarischen Finanzministerium und wurde dann einer staatlichen Universität übertragen. Doch es sind weiterhin staatliche Gelder.
Pethö hat noch weitere Verbindungen zwischen dem Käufer von Euronews und der ungarischen Regierung entdeckt. "Wir haben noch herausgefunden, dass ein ungarischer Geschäftsmann mit engen Kontakten zur Orban-Regierung diesen Deal eingefädelt hat", sagt er. Der Vater des Käufers sei ein portugiesischer Politiker, der mit Orban befreundet sei. "Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten."
Mitarbeiter von Euronews in Ungarn besorgt
Euronews hat seinen Sitz im französischen Lyon und macht Programm für mehrere europäische Länder, auch für Ungarn. Der Leiter des ungarischen Büros, Attila Kert, erzählt, dass er und seine Mitarbeiter von Anfang an besorgt über diesen Besitzerwechsel bei ihrem Arbeitgeber waren und daran gedacht hätten, was mit vielen ungarischen Medien passiert ist.
Von ihrem Hauptsitz heiße es immer, es gehe nur um Business, die Übernahme habe keine politische Komponente, erzählt Kert. "Aber ich habe ihnen gesagt, das wir in Ungarn besorgt sind. Denn in Frankreich wirst du nicht von Wölfen gebissen, deswegen erkennst du sie dort auch nicht. Hier in Ungarn ist es so, dass du selbst vor einem kleinen Hund Angst hast, weil er ein Wolf sein könnte."
Bislang könnten sie aber weiter ungestört arbeiten und kritisch über Ungarn berichten, ohne Zensur. Es habe "keinen Eingriff von oben" in die journalistische Arbeit gegeben, "nicht mal ein Versuch, nicht mal ein Vorschlag für ein Feintuning". Zum Beweis schickt Attila Kert einen aktuellen Euronews-Onlineartikel über Peter Magyar, die neue Hoffnung der ungarischen Opposition. Er wird in dem Text ausführlich und sachlich porträtiert.
Orban "geht über zum nächsten Level"
Die Medienwissenschaftlerin der Corvinus Universität Budapest, Agnes Urban, wundert es nicht, dass die Euronews-Mitarbeiter in Ungarn nichts spüren. Sie geht davon aus, dass Orban mit Euronews Größeres vorhat. Er dominiere bereits den heimischen Medienmarkt - und habe festgestellt, dass die Leute offensichtliche, billige Propaganda satt hätten.
"Also geht er über zum nächsten Level und sichert sich Einfluss auf internationale Medien", glaubt Urban. "Der ungarische Staat hat sich schon in Medien in Slowenien und Serbien eingekauft. Und das Einkaufen in Euronews passt zu Orbans europäischen Ambitionen."
Regierung bestreitet Beteiligung an Euronews
Er erhoffe sich einiges von den kommenden Europawahlen, wolle eine führende Rolle in Europa spielen. Dann werde Euronews interessant für ihn. "Jetzt schon da einzugreifen, das wäre zu offensichtlich, das würde die Marke gefährden, das wäre zu riskant und würde für ihn keinen Sinn machen", sagt Urban.
Attila Kert von Euronews Ungarn erzählt von anderen Spekulationen, die es in seinem Umfeld gibt. Vielleicht ist der ungarische Staatsfonds mittlerweile schon wieder ausgestiegen und vielleicht wurde die Recherche auch von Konkurrenz-Medien lanciert, um Euronews zu schaden. Erwiesen ist all das nicht. Ein Sprecher der Orban-Regierung beteuerte, dass der ungarische Staat nichts mit Euronews zu tun habe.