Konferenz in Brüssel Schulterschluss der Rechtspopulisten
Warnungen vor dem Verlust der freien Rede sowie Angriffe auf die Politik der EU dominierten eine Konferenz von Rechtspopulisten in Brüssel. Orban, Morawiecki, Farage und Co suchten dabei kurz vor den Europawahlen den Schulterschluss. Von K. Schmid.
Warnungen vor dem Verlust der freien Rede sowie Angriffe auf die Politik der EU dominierten eine Konferenz von Rechtspopulisten in Brüssel. Orban, Morawiecki, Farrage und Co suchten dabei kurz vor den Europawahlen den Schulterschluss.
Es war ein wilder Ritt durch die großen Herausforderungen der EU - gesehen durch die national-konservative Brille. Von Gloria von Thurn und Taxis` These: Das große Problem sei, "dass Heterosexuelle in Europa vor allem Haustiere wollten statt Kinder". Über die Prognose von Brexit-Parteichef Nigel Farage, eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps "will be great!". Bis zur alle Reden durchziehenden Warnung, die freie Rede in Brüssel und in der EU sei in Gefahr.
Katz- und-Maus-Spiel zum Konferenzauftakt
Drei verschiedene Veranstaltungsorte in der Brüsseler Innenstadt waren innerhalb von wenigen Tagen im Spiel. Zunächst war ein Ballsaal am Rande des Europaviertels vorgesehen, dann das Sofitel Brussels - in beiden Fällen zogen die Verantwortlichen der Räumlichkeiten ihre Zusagen kurzfristig zurück. Die Behörden der jeweiligen Stadtteile hatten Widerstand angekündigt, darüber hinaus hatten antifaschistische Verbände damit gedroht, das Treffen zu stören.
Erst am Morgen des ersten Konferenztages stand fest: Der Saal Claridge, ebenfalls ein Veranstaltungsgebäude ganz in der Nähe des Europaviertels, empfängt die bunte Runde an Rechtskonservativen und Nationalisten. Nicht ohne Ironie, dass sogar Ungarns Premier Viktor Orban - Stargast der Konferenz - der "tunesischen muslimischen Familie" dankte, die den Veranstaltungsort in der Brüsseler Gemeinde Saint-Josse betreibt. Und die gute Nerven bewies.
Räumungsfantasien des Bürgermeisters
Denn der zuständige Bürgermeister des Stadtteils Saint-Josse, Emir Kir, versuchte nach wenigen Stunden, die "National Conservatism Conference" zu stoppen und zu verbieten - er berief sich auf eine Empfehlung seines Polizeichefs und des staatlichen Antiterrorstabs: "Es liegt ein Risiko einer Störung der öffentlichen Ordnung vor, wenn diese Konferenz stattfindet", so Kir. Ein gefundenes Fressen für die Rednerinnen und Redner auf der Bühne. "Sie wollten uns sogar aushungern: Caterer wurden gehindert, uns hier mit Getränken zu versorgen", spottete Nigel Farage, der britische Vater des Brexits - mit Blick auf ein dann doch gut bestücktes Lunch-Buffet.
Belgische Polizisten blockieren den Eingang zum Saal Claridge in Brüssel.
Er war gerade mitten in seiner Hass-Tirade auf die EU, als die Polizei anrückte, die Veranstaltung jedoch nicht auflöste, sondern Besucherinnen und Besucher über Stunden am Eintritt hinderte. Am Dienstagabend schaltete sich schließlich Belgiens liberaler Premierminister Alexander De Croo ein und bezeichnete das Vorpreschen des Bürgermeisters als inakzeptabel. "Politische Zusammenkünfte verbieten, verstößt gegen das Grundgesetz. Punkt", schrieb de Croo auf X.
Verbot der Konferenz gerichtlich aufgehoben
Am Morgen des zweiten Konferenz-Tages hatte schließlich auch ein belgisches Gericht das behördliche Verbot der Konferenz aufgehoben. Ob das der richtige Umgang von Behörden und Politikern mit Zusammenkünften rechtskonservativer Politikerinnen und Politiker war, ist umstritten. Immerhin befanden sich unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Wissenschaftler und ideologische Vordenker dieser Szene.
"Freie Rede ist in Gefahr"
Kritik kommt auch von außerhalb der Konferenz. Der britische Premierminister Rishi Sunak sprach von einer "extrem verstörenden Entscheidung". Im Saal wiederum deutete Mateusz Morawiecki, ehemaliger polnischer Ministerpräsident von der nationalkonservativen PiS-Partei an, dass über die Sache noch zu reden sein werde. Unglaublich, was derzeit in Brüssel passiere, die freie Rede sei in Gefahr, erklärte Morawiecki zum Abschluss der Konferenz. Ähnlich formulierte es auch Viktor Orban: "Derzeit ist Ungarn eine Insel der Vielfalt in der EU, auf der Konservative frei sprechen und politische Pläne schmieden können." Europa könne das Zum-Schweigen-Bringen nach kommunistischer Art und eine Zensurkultur nicht länger hinnehmen, so Orban.
Das "Danube Insitut", ein Think Tank aus Budapest, der staatliche Gelder erhält, gehört zu den großen Geldgebern der Konferenz. Organisiert wird sie auch von der konservativen US-Denkfabrik "Edmund Burke Foundation".
"Konservativer Ansatz auf europäischer Ebene"
"It`s all about freedom" - so war auch Orbans Botschaft mit Blick auf die Europawahlen Anfang Juni. Es gehe um einen Führungswechsel, um einen "deutlich konservativeren Ansatz auf europäischer Ebene". Die aktuelle Bilanz der EU zeige es: "Der Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft ist gescheitert, der Landwirtschaft wurden bessere Zeiten versprochen, und nun stehen die Bauern überall auf den Barrikaden“, so Orban. Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit, alles sei auf dem absteigenden Ast. Und dann noch die Migration: In seinem Land gebe es keine Einwanderer. "Das ist keine Frage von Menschenrechten, Grenzen zu überschreiten, ist ein Verbrechen". Muslime im Land zu haben, führe zu einer Reihe von Problemen, denn "wir haben eine christliche Tradition auf diesem Kontinent", so der ungarische Ministerpräsident.
Schulterschluss der Rechtsnationalen
Wie viele seiner Vorredner macht er die Tour durch die fundamentale Kritik an der EU. Vor allem aber sollte ein Zeichen gesetzt werden - eine Warnung gewissermaßen auch an die anderen Parteien und Wählerinnen: Die rechtsnationalen, konservativen Parteien hätten ihre Schwäche erkannt - die Zerstrittenheit untereinander. "Wir müssen künftig mehr das Verbindende als das Trennende suchen", hieß es immer wieder. Um, so die Botschaft, die wachsende Macht zu konzentrieren.