Krieg in der Ukraine Wie Freiwillige der ukrainischen Armee helfen
Der Winter setzt die ukrainischen Soldaten einer besonderen Belastung aus. Umso wichtiger sind Geldspenden, von denen Helfer wichtige Alltagsgüter für sie kaufen. Dabei ist zunehmend Phantasie gefragt.
Olena Smirnowa dreht Zigaretten im Akkord. Mit losem Tabak, Papier und der kleinen Stopfmaschine ist das dreimal günstiger, als wenn sie schon fertige Zigaretten kaufen würde. Die Selbstgedrehten sind aber nicht für sie.
Olena ist keine Raucherin. Sie dreht sie für die Soldaten, die an der Front kämpfen. Denn die Zigaretten sind bei ihnen sehr gefragt. "Es ist für sie wie ein Antistressmittel, wie eine Tasse Kaffee", sagt Olena.
Sie ist Mitglied der Partei "Demokratische Axt", einer kleinen liberalen Partei, die in einigen wenigen Kommunalparlamenten in der Ukraine vertreten ist. Landesweit hat sie gerade die politischen Aktivitäten ausgesetzt. Nun sammeln ihre Mitglieder hauptsächlich Spenden für die ukrainischen Streitkräfte.
Im Standesamt von Tscherkassy haben die Helferinnen und Helfer ihr Lager eingerichtet. Durch die Workshops, die sie hier anbieten, werden neue Spenden generiert.
400 Lebkuchen für Soldaten
Von Montag bis Freitag seien sie damit beschäftigt, erzählt Olena. Von zehn Uhr am Morgen bis drei Uhr nachmittags neben ihren regulären Jobs und den Familien. Am Vormittag werden sämtliche Hilfsgüter vorbereitet, andere holen sie später ab.
"Die Anfragen sind jetzt einfach sehr häufig, die Männer an der Front haben einen großen Bedarf", sagt sie. "Die Soldaten brauchen Kerzen, Wärmflaschen, weil es kalt ist."
Im Keller des Standesamtes in der Stadt Tscherkassy haben die Freiwilligen ein großes Lager eingerichtet. Im ganzen Raum stapeln sich Kisten mit warmer Kleidung, Erste-Hilfe-Utensilien - und Lebkuchen.
Diese sind mit Blumen, Katzen und weiteren farbenfrohen Motiven verziert, die die Soldaten auf andere Gedanken bringen sollen. Olena räumt sie in einen Karton. 400 Stück haben sie gebacken.
Workshops generieren neue Spenden
Die bunten Lebkuchen sind aber nicht nur als freundliche Geste und Ablenkung für die Soldaten gedacht. "Diesen Samstag hatten wir einen Workshop zum Lebkuchen-Verzieren. Die Leute kamen zu uns und spendeten Geld für den Kurs", erzählt Olena.
Somit ist auch wieder Geld für weitere dringend benötigte Dinge da. Etwa für sogenannte Tourniquets zum Abbinden von Armen oder Beinen bei starken Blutungen nach Verletzungen. Sie sind überlebenswichtig an der Front.
In einem anderen Kurs basteln sie mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sogenannte Grabenkerzen. Die Kerzen bestehen aus alten Konservendosen, die mit Wellpappe und Paraffin gefüllt werden. Sie sollen den Soldaten in den Stellungen Licht spenden und wärmen in der kalten Jahreszeit.
Weiterhin hohe Spendenbereitschaft
Anfangs konnten sich die Freiwilligen vor Spenden kaum retten. Mit Beginn der russischen Großinvasion brachten die Menschen alles, was sie entbehren konnten und spendeten viel Geld. Nun müssen die Helfer erfinderisch werden und veranstalten die Kurse, um neue Spenden zu generieren.
Denn hier in Tscherkassy, erzählt Olena, werde der Krieg von vielen ausgeblendet. Die Stadt mit etwa 270.000 Einwohnern liegt Hunderte Kilometer von der Front entfernt. "Der Krieg ist irgendwo im Osten, im Süden und im Norden. Aber in Wirklichkeit ist der Krieg überall um uns herum", sagt sie. "Wir versuchen immer, die Menschen daran zu erinnern. Wir versuchen, die Menschen zu motivieren, wirklich zu helfen."
Grundsätzlich sind aber viele Menschen in der Ukraine weiter bereit, für das Militär zu spenden. Nachdem im ersten Halbjahr 2023 teilweise weniger Geld gespendet wurde, meldeten die drei größten Hilfsorganiationen des Landes für den Juni Spenden in Rekordhöhe. 2,4 Milliarden Hrywnja, umgerechnet über 60 Millionen Euro, hatten die Organisationen erhalten.
Soldaten versuchen, Familien zu beruhigen
In Tscherkassy ist Andrij zu den Helfern im Keller gestoßen. Er will Kisten mit Hilfsgütern abholen. Sein Schwiegervater fährt sie dann an die Front nach Awdijiwka. Er ist in der schwer umkämpften Stadt im Donbass stationiert. Oft versuche er, die Familie zu beruhigen, erzählt Andrij. "Es ist alles in Ordnung, macht euch keine Sorgen", bekommen er und seine Frau von ihm oft zu hören. "Aber wir sind ja schon erwachsen und verstehen, was dort wirklich passiert."
Wie die Situation wirklich aussieht, erfährt er, wenn er mit anderen Soldaten in Kontakt ist. Etwa, als sie vor kurzem für mehrere Soldaten einen Spendentransport vorbereitet hatten. "Dann bekamen wir einen Anruf, dass es nicht mehr gebraucht wird", sagt er mit nachdenklicher Mine. "Weil die Jungs nicht mehr da sind, sie sind nicht mehr. Ich denke, mehr gibt es dazu nicht zu sagen."
Helfer wollen nicht aufgeben
Nach zwei Jahren russischer Großinvasion seien viele Menschen müde, erzählt Olena. Trotzdem wollen sich die Helferinnen und Helfer nicht entmutigen lassen. "Ich weiß manchmal auch nicht mehr, wie und wo wir diese Gelder noch sammeln können, wie wir noch mehr Gelder sammeln können", sagt sie. "Aber wir können nicht aufhören, und das sagen wir den Leuten auch immer wieder."