Angriffe auf ukrainische Städte "Putin hat noch nicht genug"
Erneut wurden mehrere ukrainische Städte Ziel russischer Angriffe - auch die Hauptstadt Kiew. Mindestens ein Mann wurde getötet, mehrere Menschen wurden verletzt. Die Ukraine rechnet mit weiteren Angriffen über den Jahreswechsel.
Mehrere heftige Explosionen waren am frühen Silvesternachmittag in der Hauptstadt Kiew zu hören. Viele Menschen suchten in U-Bahn-Stationen Schutz und schauten dort auf ihr Handy, um die Nachrichten nicht zu verpassen. In der Station Olimpijskyj gibt es viele Blumenstände. Eine Verkäuferin dort rang um Fassung. Ihr Haus sei getroffen worden, und sie könne ihre Familie nicht erreichen, sagte sie.
Auch Nadja Wichombajewa hat in der U-Bahn Zuflucht gesucht. "Ich mache mir keine Illusionen", so die schwarzhaarige Privatunternehmerin. "Ich glaube, es ist noch nicht vorbei, sondern geht weiter an Silvester, am ersten und am zweiten Januar. Putin hat noch nicht genug und ist nicht ruhig bis er uns die Feiertage verdorben hat. Er wird uns beschießen, aber was können wir tun? Wir werden uns verstecken."
Stand jetzt schoss die ukrainische Luftabwehr zwölf von mehr als 20 russischen Raketen ab, die auf zivile Einrichtungen in der Ukraine abgefeuert wurden. Nach Angaben des Chefs der ukrainischen Armee, Walerie Zaluschnyj, griff Russland vom Kaspischen Meer aus an: mit mehr als 20 Lenkraketen, die von strategischen Bomberflugzeugen und Raketensystem am Boden abgefeuert wurden.
Gezielte Angriffe
Sechs der Raketen wurden über Kiew abgeschossen. Herabfallende Trümmer richteten dort Schäden an. Nach bisherigen Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko wurde in Kiew ein älterer Mann getötet und mindestens 20 Menschen verletzt - darunter ein Journalist aus Japan. Sie wurden ins Krankenhaus gebracht. Zudem wurden ein Wohnhaus und ein Hotel beschädigt.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärte, Russland greife gezielt Wohngegenden an. Kriegsverbrecher Putin "feiere" Neujahr, indem er Menschen töte. Russland müsse aus dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ausgeschlossen werden, wiederholte Kuleba - eine bekannte Forderung der ukrainischen Führung.
Zerstörung der Energie-Infrastruktur
Auch die Städte Chmelnitzki und Saporischija wurden an Silvester von Russland angegriffen. Dabei wurden mindestens elf Menschen teilweise schwer verletzt. Auch in Mykolajiw kamen mindestens sechs Menschen verletzt ins Krankenhaus. Der Chef der Militärverwaltung der Region Vitali Kim reagierte in Richtung Moskau mit Ironie: "Frohes Neues. Ich gratuliere zum kommenden Fest. Ich bin durch die Stadt spazieren gegangen und gerade gibt es Einschläge hier. (…) Wir verstehen die Logik nicht. Frohes Neues!"
Seit dem Beginn der russischen Großinvasion am 24. Februar hat Russland weit über 4000 Raketen auf die Ukraine abgefeuert, und seit mehr als zwei Monaten zerstört Moskau gezielt die Energie-Infrastruktur. Dies seien das schwierigste Weihnachten und Silvester seit der ukrainischen Unabhängigkeit, so Energieminister Herman Haluschenko. Man werde alles tun, dass die Menschen an Neujahr Strom hätten.
140 Ukrainer aus russischer Gefangenschaft
Die verzweifelte Blumenverkäuferin ist nach Hause geeilt, und auch Nadja Wichombajewa ist dabei, die U-Bahn zu verlassen. "Alle hatten Pläne und Hoffnungen. Alle haben gehofft, dass alles gut wird. Und jetzt ist es so: Hast Du einen Tag überlebt, dann bist du dafür schon dankbar. Wir schmieden keine Pläne mehr. Wir hoffen natürlich auf das Beste, aber Pläne machen wir keine mehr."
Am frühen Silvesterabend gab Präsidentenberater Andrii Jermak dann noch eine gute Nachricht bekannt. 140 Ukrainerinnen und Ukrainer seien aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt. Darunter Angehörige der Armee, der Nationalgarde, der Marine und der Grenztruppen. Über den Austausch der 132 Männer und acht Frauen erklärte Jermak: "Während Russland schießt, wehren wir uns und holen unsere Leute zurück."