Türkei So läuft die Wahl ab
Neben dem Präsidenten wird in der Türkei auch das Parlament neu gewählt - nach dem Verhältniswahlrecht. Deshalb haben sich Parteien zu Bündnissen zusammengeschlossen, damit auch kleinere Parteien über die Sieben-Prozent-Hürde kommen.
In der Türkei gibt es 87 Wahlbezirke. Wahlberechtigt sind, zusammen mit den Türken im Ausland, mehr als 64 Millionen Menschen. In Deutschland durften rund 1,5 Millionen Türken abstimmen.
Wie in Deutschland sind die Wahllokale meist in Schulen aufgebaut und von 8 bis 17 Uhr geöffnet, es herrschen strikte Sicherheitsvorkehrungen.
Das Handy muss vor dem Wahllokal abgegeben werden, Ausweise werden kontrolliert. Dann erst bekommt der Wähler die Wahlzettel und einen Stempel. Damit wird in der Türkei der Wunschkandidat oder die Partei gekennzeichnet - kein Kreuz und kein Häkchen werden gesetzt.
Zwei Stimmzettel für zwei Wahlen
Es gibt zwei Stimmzettel, da schließlich Präsident und Parlament gewählt werden. Zur Parlamentswahl treten 26 Parteien an, der Wahlzettel ist einen Meter lang.
Recep Tayyip Erdogan, der auch Parteichef der islamisch-konservativen AKP ist, möchte als Präsident wiedergewählt werden. Zwei weitere Kandidaten treten an. Kemal Kilicdaroglu von der CHP stellt für Erdogan eine ernsthafte Herausforderung dar. Die CHP versteht sich als sozialdemokratische, säkulare Partei.
Der anderen Kandidat - Sinan Ogan vom Wahlbündnis Atta Ittifaki - gilt aber als chancenlos. Ein weiterer Kandidat, Muharrem Ince von der Heimatpartei Memleket Partisi, zog kurz vor der Wahl seine Kandidatur zurück. Dies wurde in Reaktionen als Vorteil für Kilicdaroglu gewertet.
Parteien schließen sich zu Wahlbündnissen zusammen
Einige der 26 Parteien haben sich zu Bündnissen zusammengeschlossen. Es gibt aber auch Parteien, die eigenständig zur Wahl antreten. Dabei gilt die Sieben-Prozent-Hürde sowohl für die Bündnisse, als auch für die Parteien, die ohne die Unterstützung eines Bündnisses zur Wahl antreten.
Es gibt zwei konkurrierende Wahlbündnisse: das der regierenden AKP von Präsident Erdogan und das der oppositionellen CHP von Kilicdaroglu. In ihren Bündnissen sind jeweils auch Parteien, die in manchen Landesteilen keine Aussicht haben, die Sieben-Prozent-Hürde zu nehmen.
Deshalb kandidieren einzelne Mitglieder dieser Parteien in den für sie schwierigen Regionen auf den Listen der AKP oder der CHP.
So treten beispielsweise auf den AKP-Listen Kandidaten der kurdisch-islamistischen Hüda-Par an. Die wünscht sich unter anderem eine Geschlechtertrennung in Schulen und Behörden und möchte außereheliche Beziehungen verbieten.
Die Kandidaten der HDP, einer linksorientierten Partei, die die Rechte von Minderheiten - insbesondere von Kurden - berücksichtigt, treten wiederum über die Liste der Grünen Linkspartei an, im Bündnis für Arbeit und Freiheit. Gegen die HDP läuft ein Verbotsverfahren.
Im Bündnis für Arbeit und Freiheit ist der Frauenanteil mit rund 40 Prozent am höchsten. Bei der CHP liegt er bei 25 Prozent, bei der regierenden AKP bei 18 Prozent und ihrem Koalitionspartner, der ultanationalistischen MHP bei 15 Prozent.
Wahlbeobachtung - Bürgerpflicht
Da diese Wahl eine Richtungswahl sein wird und ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Erdogan und Kilicdaroglu vorausgesagt wird, legen alle Parteien größten Wert auf die Wahlbeobachtung und die Auszählung der Stimmzettel.
Wahlbeobachtung ist für viele Türken Ehrensache. Bürgerinnen und Bürger dürfen im Wahllokal die Urne beobachten. Entscheidend sind aber die offiziellen Wahlbeobachter: Die lokale Verwaltung entsendet zwei Beobachter, außerdem die fünf Parteien, die bei den vergangenen Wahlen die meisten Stimmen in einem Wahlbezirk geholt haben.
Dieser dann siebenköpfige Wahlausschuss behält die Urne bis zur Auszählung im Auge. Jedes Mitglied des Wahlausschusses versichert das Ergebnis mit seiner Unterschrift. Auch die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit und der Europarat entsenden Wahlbeobachter. Genauso wie unabhängige türkische Wahlbeobachtungsorganisationen.
Die Ergebnisse der einzelnen Urnen werden dem sogenannten hohen Wahlrat übermittelt. Die Wahlbeobachter der Parteien dürfen die Urnen bis zur nächsten größeren Auszählstelle begleiten.
Anders als in Deutschland gibt es keine Prognosen - erste Hochrechnungen werden erst eine Stunde nach Schließung der Wahllokale veröffentlicht. Bis dahin dürfen Medien die Wahlen nicht kommentieren. Zwischen 18 und 21 Uhr dürfen nur vom Wahlrat ausgewählte Medien über die Hochrechnungen berichten, nach 21 Uhr dann alle Medien.
Der Verkauf von Alkohol ist den ganzen Tag über verboten, das Mitführen von Waffen in Wohngebieten auch. Cafés und Bars werden geschlossen und Restaurants dürfen nur Speisen servieren.