Zusammenarbeit mit Moskau Jagd auf russische Oppositionelle in Serbien
Serbien weist russische Oppositionelle nach Russland aus. Und das immer häufiger, denn die Zusammenarbeit mit Moskau ist eng. Selbst eine falsche Unterschrift kann zum Verhängnis werden.
Elena Koposowa bleibt derzeit nichts anderes übrig, als den ganzen Tag wieder und wieder ihr Online-Postfach zu aktualisieren. Anfang Februar kam die Mitteilung des serbischen Innenministeriums, sie sei eine "Bedrohung für die nationale Sicherheit" und müsse das Land innerhalb der nächsten 30 Tage verlassen.
Seitdem hofft sie auf die Nachricht, dass alles doch ein Missverständnis gewesen sei. Denn eigentlich ist die Russin, die vor rund fünf Jahren nach Serbien gezogen ist, eine unauffällige Frau: 54 Jahre alt, Dolmetscherin, zwei Kinder.
Und eigentlich sei sie nie wirklich politisch aktiv gewesen, sagt sie. "Nur dieses eine Mal vor zwei Jahren habe ich diese Petition auf Facebook gegen den russischen Angriffskrieg unterschrieben, sonst nichts", sagt sie. Aber nun wurde ihre Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert. Gründe dafür, warum sie die nationale Sicherheit bedrohe, nannte das serbische Innenministerium nicht.
Kein Einzelfall
Koposowa will auf keinen Fall zurück nach Russland. Denn als Ausgewiesene, die sich kritisch gegen den Krieg geäußert hat, befürchtet sie, bei einer Rückkehr in Haft zu kommen. Warum die Ausweisung? Koposowa meint: "Dahinter steckt sicher der Kreml. Der macht Druck auf Serbien."
Elena Koposowa ist nicht die erste russische Staatsbürgerin, die in Serbien verfolgt wird. Immer mehr Personen wird die Aufenthaltserlaubnis mit derselben Begründung abgelehnt. Und der Druck für Exilrussen in Serbien nimmt zu.
Dabei geht es um Fälle wie die von Koposowa, also russische Staatsbürgerinnen und -bürger, die in Serbien leben und vermeintlich auffällig werden. 13 solcher Fälle seien bislang bekannt, so die oppositionelle Organisation Russian Democracy Society (RDS). Wobei es noch mehr sein können, weil Betroffene damit häufig nicht in die Öffentlichkeit treten wollen.
Serbien verlässlicher Partner Russlands
Genau diese Einschüchterung und das Schweigen der Opposition im Ausland sei das Ziel des russischen Staates, sagt Peter Nikitin, Gründer der RDS. "Durch das Einschüchtern schaffen wir es als Russen im serbischen Exil nicht, eine Bewegung zu formieren, um gegen das russische Regime aufzustehen. Obwohl wir eigentlich genug Menschen wären."
Und Serbien, eigentlich EU-Beitrittskandidat, zeigt sich einmal mehr als ein für Russland verlässlicher Partner. So hat sich das Land den westlichen Sanktionen gegen Russland bisher immer noch nicht angeschlossen und bezieht nach wie vor gut 90 Prozent seines Gases aus Russland.
Das Serbien unter Präsident Aleksandar Vucic zeigt sich als verlässlicher Partner Russlands.
Bespitzelung von Kara-Mursa
Ein weiterer Fall, bei dem Russland und Serbien eng gegen kritische Stimmen zusammengearbeitet haben sollen, ist der von Wladimir Kara-Mursa. Der russische Journalist selbst berichtete davon, wie der serbische Geheimdienst ihn bei einer Reise nach Belgrad abhörte. Er traf russische Oppositionelle im Exil. Die abgehörten Gespräche landeten dann umgehend bei russischen Behörden. Mittlerweile sitzt Kara-Mursa wegen Kritik am Angriffskrieg für 25 Jahre in russischer Haft.
"Die Grundlage für diese Zusammenarbeit ist ein Abkommen zwischen Serbien und Russland zur Bekämpfung von Farbrevolutionen aus dem Jahr 2021", sagt Aleksandra Tomanic, Leiterin des European Fund for the Balkans. Als Farbrevolutionen bezeichnete der damalige serbische Innenminister Aleksandar Vulin gesellschaftliche Bewegungen, die ein Instrument des Westens seien, um Staaten wie Serbien und Russland zu destabilisieren.
Viele Exilrussen in Serbien
"Neu ist aber, dass es mittlerweile eine ernstzunehmende Zahl an Exilrussen in Serbien gibt, die bereit ist, auf die Straße zu gehen und dort das russische Regime zu kritisieren", erklärt Tomanic. Um diese zu unterbinden, gebe es zunehmend Verfahren wie jenes gegen Elena Koposowa.
Viele Vertraute haben ihr geraten zu schweigen, erzählt Koposowa. Aber das will sie nicht. Denn Serbien sei mittlerweile ihre Heimat geworden. Das Haus ihrer Familie ist fast fertig gebaut, die Kinder sprechen Serbisch, gehen in die Schule. Vergangenes Wochenende war der Jüngste zum Geburtstag bei Schulfreunden eingeladen. Nun hat Koposowa die Entscheidung des Innenministeriums gerichtlich angefochten, um Zeit zu gewinnen.