Parlamentswahl in Serbien Der Stabilokrat aus Belgrad
Bei der vorgezogenen Neuwahl des serbischen Parlaments geht es nicht um Präsident Vucic. Doch der war im Wahlkampf die alles dominierende Person. Der Präsident schneidet Serbien immer stärker auf sich zu.
Aleksandar Vucic ist im Wahlkampfmodus. Ständig ist er im Fernsehen zu sehen, auf Social Media, in den Zeitungen. Statt seiner Serbischen Fortschrittspartei steht auf den Wahlzetteln bei der Parlamentswahl "Liste Aleksandar Vucic - Serbien darf nicht stehenbleiben".
Obwohl Vucic als Präsident offiziell natürlich gar nicht zur Wahl steht. Es ist also kein Wunder, dass viele Bürgerinnen und Bürger glauben, an diesem Sonntag seien nicht etwa Parlamentswahlen.
"Eine Atmosphäre wie bei einem Referendum"
Laut der nicht-staatlichen Organisation CRTA glaubt jeder vierte Bürger in Serbien, dass am Sonntag Präsidentschaftswahlen stattfinden. Und weitere 60 Prozent glauben, Vucic sei Spitzenkandidat für die Parlamentswahl. Offiziell hat die Serbische Fortschrittspartei bisher nicht kommuniziert, wen sie im Fall eines Wahlsiegs zum Ministerpräsidenten machen würde.
"Es ist eine Atmosphäre wie bei einem Referendum", fasst der CRTA-Direktor Rasa Nedeljkov die Stimmung vor der Wahl zusammen. Entweder sei man für Vucic oder gegen ihn.
Schrittweise Zementierung der Macht
Vucic ist seit den 1990er-Jahren politisch aktiv. Zeitweise war er Teil der Regierung unter dem später für Kriegsverbrechen angeklagten Slobodan Milosevic.
Später gründete Vucic die Serbische Fortschrittspartei, gab sich geläutert von Nationalismus und radikalen Ansichten. 2014 wurde er Ministerpräsident, 2017 Präsident.
Und seit einigen Jahren nun schneidet er Serbien immer stärker auf sich zu, beobachtet Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik.
Vucic habe immer den Drang zur Macht gehabt. "Er hat dann auch relativ schnell gesehen, dass es einen ziemlich freien Spielraum in der serbischen Politik gibt, dass er seine Macht ausbauen kann."
Schrittweise habe er die Freiheit der Medien eingeschränkt, die Institutionen eingefärbt, die Macht der Serbischen Fortschrittspartei zementiert. "Von den kleinen Gemeinden, den Städten bis zum Staat und zur Regierung."
Frustrierte Opposition
Vucic setzt sich mittlerweile mit dem Staat gleich. Wer gegen ihn ist, ist gegen Serbien. Außenpolitisch steht er für eine Schaukelpolitik - zwischen der EU, China und Russland.
Als einziger EU-Beitrittskandidat trägt Serbien zum Beispiel die europäischen Sanktionen gegen Russland nicht mit. Im Dialog mit Kosovo, der sich 2008 von Serbien abgespalten hat, verspricht Vucic in Brüssel regelmäßig Fortschritte. Um jegliche Zusagen im Inland sogleich wieder vom Tisch zu wischen.
Die Opposition, die Vucics Medienmacht wenig entgegenzusetzen hat, ist frustriert davon, dass die EU nicht mehr Druck ausübt. "Wir sehen nicht, dass Vucic und seinem Regime irgendetwas Schlimmes passiert, wenn sie im Dialog unkonstruktiv sind oder sich weigern, unsere Außenpolitik mit der Europäischen Union abzustimmen", klagt Borko Stefanovic von der Partei Freiheit und Gerechtigkeit (SSP). "Niemand stellt seine Methoden in Frage. Das Einzige, was die Menschen in Serbien hören, sind Lobeshymnen auf ihn."
Stabilität um jeden Preis
Politikwissenschaftler Dzihic glaubt nicht, dass die europäische Linie auf Ahnungslosigkeit beruht - sondern die EU ganz genau weiß, wen sie da in Belgrad stützt.
Aus Angst vor einer Hinwendung Serbiens zu Russland sei die EU aber bisher nicht eingeschritten. Ihr Kurs sei ein "stabilokratischer", so Dzihic.
Also Stabilität um jeden Preis. Dafür habe die EU Geld nach Serbien gepumpt - und so auch die Demokratie kompromittiert. Denn den kritischen, demokratischen Kräften habe man so durchaus Wind aus den Segeln genommen. "Das Dilemma besteht aber darin, dass dieses Mehr an Stabilität nicht eingekehrt ist."
Der Kosovo etwa sei erst jüngst an einem erneuten Krieg vorbeigeschrammt. Bisher gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass Brüssel seinen Kurs gegenüber Vucic ändert.